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Ingeborg und das Meer – Ingeborg von Heister und ihre Reise über den Atlantik

Ingeborg und das Meer von Wilfried Erdmann

Ingeborg von Heister: Die erste deutsche Frau, die alleine über den Atlantik segelte. 1969 bis 1970.

Wie beseelt man doch davon sein kann, auf dem Ozean zu segeln, noch dazu alleine. Dieses wunderbare Buch las ich frisch unter dem Eindruck des Golden Globe Race, besser gesagt dem Ende dieses Rennens, als in kurzer Folge die ersten drei Boote nach dem Rennen um die Welt wieder in Frankreich, in Les Sables D’Olonne, einliefen. Und als ich die Bilder sah und die ersten Sätze hörte von Kirsten Neuschäfer, der Siegerin des Rennens, die ganz so wirkte als sei sie vollkommen zuhause gewesen unterwegs, eins mit ihrem Schiff und dem Meer, zweihundert und noch wie viel Tage und Nächte lang.

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Die Route, einmal Karibik und zurück

Leicht wird es trotzdem nicht gewesen sein, und leicht war auch die zweifache Atlantiküberquerung nicht, die Ingeborg von Heister 1969/70 segelte – mehr oder weniger direkt nach dem originalen Golden Globe Race von 1968 bis 1969. Und es war bestimmt der gleiche Spirit in ihr, wenn auch das Ende völlig anders war – ein Heldinnen-Empfang für Kirsten und auch alle anderen GGR-Heroen mit begeisterten Fans, internationaler Presse und großen Emotionen. Und ein stilles Einlaufen nach Gibraltar für Ingeborg, wo niemand auf sie wartete und niemand sie kannte. Dies ist ihr letzter Logbuchentrag, vom 22. September 1970, zwei Tage nach ihrer Ankunft: „Wehmut überfällt mich, und mit brennenden Augen sehe ich die Yachten um mich herum liegen, die den Absprung Richtung Karibik planen. Ich bin exorbitant müde, mehr aber noch deprimiert und nicht ein bisschen glücklich, dass ich die Atlantik-Rundreise geschafft habe. Tagelang kämpfe ich gegen die Traurigkeit, ich wollte nicht hierher zurück und kenne außerdem niemanden. Absolut niemanden. Ich habe mich verändert. Mein Blut ist mit Salzwasser vermischt.“

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„Ultima Ratio“, Ingeborg von Heisters Trimaran

Aber ich will nicht vorgreifen, außerdem ist das im Grunde ein anderes Thema: Was tun am Ende einer langen und erfolgreichen Reise? Schon viele Langzeitseglerinnen mussten feststellen: Die Reise ist sicher ein Abenteuer. Doch das Ankommen „zuhause“, oder wo auch immer, ist vielleicht das sehr viel größere Abenteuer…

Zurück zu Ingeborg von Heister und diesem tollen Buch, welches eine ungewöhnliche Familiengeschichte so einfühlsam nachzeichnet vom offenbar sehr geliebten Schwiegersohn Wilfried Erdmann. Der ihr die ebenso geliebte Tochter entführt, aber die drei scheinen sich wunderbar verstanden zu haben. Wilfried Erdmann hat dieses Buch aus der Erinnerung, vor allem aber auch nach der Lektüre ihres auf dem Dachboden wiederentdeckten Logbuches geschrieben. Dies stellt er vorneweg fest: „Manchmal, beim Lesen ihrer Zeilen, möchte ich auf ihrer Bank im Cockpit sitzen und mit ihr segeln. Wir tun es leidenschaftlich. Perfektion spielt keine Rolle. Verbissenheit war bei ihr an Bord verpönt. Sie verabscheute Regeln. Das macht mich immer glücklich, wenn ich an sie denke.“

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Abschied auf den Kanaren: Ingeborg und ihre Tochter Astrid

Ja, das ist natürlich die Story in diesem Buch: Das Leben einer ganz besonderen Frau, von dem wir hier so einiges am Rande erfahren. Auch von ihrem Drang zum Segeln, zur Freiheit. Unbeeindruckt vom Wirtschaftswunder-Nachkriegsdeutschland wollte diese eigentlich gestandene Geschäftsfrau lieber kopfüber hinein ins Abenteuer! Das ist an sich schon ungeheuer mutig, zumal damals, als Frau alleine. Unkonventionell wie auch ihre spontane Wahl des Bootes, das natürlich ebenso unkonventionell war, nämlich ein Sperrholz-Trimaran von Arthur Piver. Alles also völlig jenseits des kleinkarierten, segelnden Establishments. Stark! Eine echte Inspiration und potenzielles Vorbild.

Übrigens fiel mir noch eine Gemeinsamkeit mit der „Golden Globe“ Siegerin Kirsten auf: „Zu lesen ist aber auch“, schreibt Ingeborg über ihr Logbuch, „dass mir nie der Gedanke kam, dass ich es nicht schaffen könnte. Nie war das Nichtankommen ein Thema.“ Und was sagte Kirsten auf ihrer Pressekonferenz auf eine ganz ähnliche Frage: Sie habe nie daran gezweifelt, dass sie es schaffen würde das Weltrennen zu beenden…

Wir sehen also, das alles ist zeitlos und spannend. Ingeborg von Heisters Reise, zweimal solo über den Atlantik, ist zu ihrer Zeit nicht wirklich angemessen gewürdigt worden. Egal. Dieses Buch ist viel mehr, eine ehrliche, aber auch emotionale und fast schon poetische Schilderung einer großen Reise. Und es ist übrigens auch nicht nur ein sehr schön zu lesendes Buch, sondern auch ein ebenso liebevoll und schön gestaltetes obendrein. Denn auch dies blieb ja in der Familie: Konzeption, Gestaltung, Satz und die Karten kommen von Kym Erdmann, Grafikdesigner in Kiel und Ingeborgs Enkel.

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Fazit: Unbedingt empfehlenswert. Ohne Einschränkung. Vielen Dank, Wilfried, für dieses kleine Juwel!

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