Ansegeln, wenn auch, am 3. Februar, etwas spät im Jahr. Am Samstagmorgen, früh, gegen neun Uhr ablegen und auslaufen. Es ist neblig und ruhig, meine Nachbarn Pete auf seiner großen Jeanneau und Reinhard auf seiner noch größeren Bavaria pennen bestimmt noch. Nur an Land kommt ein einsamer Fahrradfahrer vorbei, bremst, sieht mir zu bei den merkwürdigen Dingen, die ich da tue. Es ist fast windstill, aber eine kleine, leise Brise weht. Gerade genug, um abzulegen und aus dem Hafen zu segeln, ohne Motor, an den Leinen aus den Pfählen gezogen, eine Vorleine am Pfahl, dann Segel hoch und Leine los und weg. Alles ganz leise und ruhig und unspektakulär, auch das passt zu dieser friedlichen nebligen Stimmung wo alles wie in Watte gepackt zu sein scheint. Ich liebe es, auf diese Art los zu segeln, ein Aufbruch unter Segel ist nochmal so schön, wie es ein Aufbruch an sich überhaupt schon ist. Auch wenn ich, wie heute, alleine bin und nicht weit segeln werde, vielleicht bis Sonderburg, das sind, glaube ich zu erinnern, so um die 15 Meilen, das müsste auch bei fast-Flaute und Nebel zu schaffen sein.
Draußen bleibt der Wind dann doch weg, der „Speed“ fällt unter einen Knoten. Nun schalte ich doch die Maschine hinzu, lassen sie mit entspannten 1000 Umdrehungen mit tuckern und komme so auf etwas über drei Knoten. Immerhin hat sie lange still gestanden, fast zwei Monate lang, zuletzt war ich mit meinen Kindern am ersten Advent unterwegs gewesen, kaum zu glauben. Es tut ihr bestimmt gut, jetzt mal eine Stunde oder so zu laufen. Dann kräuselt sich das Wasser, der Motor darf wieder schlafen, mit zwei Knoten segeln „Madonna“ und ich auf die Enge bei Holnis zu. Die Stimmung ist wunderbar, grau wabert es um uns herum, doch die Ufer sind dunkel schemenhaft zu erkennen. Es ist ganz still, herrlich ruhig, nur hunderte von Wildvögeln tummeln sich auf dem Wasser, rufen, starten, landen, im Winter wenigstens haben sie die Förde für sich.
Langsam ziehen wir unsere Bahn und ich überlege. Marina Minde liegt direkt vor dem Bug, unsichtbar zwar im Grau aber nicht mehr weit entfernt; nach Sonderburg sind es noch zehn Meilen, vielleicht. Entscheidungen, Entscheidungen. Weiter? Oder hier vorne rein? Sonderburg ist nett, Minde auch. Ich möchte aber noch viel schreiben, auch Tanken, das beides spricht für Minde. Weiter segeln wäre auch schön, der Hafen und die Stadt sprechen für Sonderburg. Dann die Entscheidung: Es beginnt zu regnen. Dicke, fette Tropfen. Es pladdert, und es sieht nicht so aus, als würde es bald aufhören. Flaute und leichten Wind kann ich aushalten, aber Regen, und das bei diesen Temperaturen? Nein.
Also Minde. Wie es sich später herausstellen wird ist dies die richtige Entscheidung. Der Hafen ist leer und verlassen. Auch hier, weil es so viel Spaß macht auch so anzukommen, ein Anleger unter Segel. Ich mache einen langen Spaziergang am Ufer entlang, zwei Stunden fast auf dem Gendarmenstieg. Nachdem der Regen aufgehört hat, versteht sich, und das tut gut. Dann zwei Stunden an Bord schreiben, auch das tut gut, das Beste aber kommt fast zum Schluss: Eines meiner Lieblingsrestaurants in meinem süddänischen Segelrevier, das „Vaerftet“ hier direkt am Hafen, hat abends geöffnet. Perfekt!
Und dann der Hafen, abends, nachts. Diese ganz einzigartige, wundervolle Stimmung. Stilles, schwarzes Wasser. Kein Mensch, dafür umso mehr Tierleben. Vögel, vor allem, wieder mal. Und eine unglaubliche Ruhe über allem. Klare Luft. Gerade einmal fünf, sechs Seemeilen von Flensburg entfernt. Völlig egal. Dieser Tag war wunderbar, ein kleiner Aufbruch, eine winzig kleine „Flucht“, aber jeder Aufbruch ist magisch und trägt das Potenzial zu Großem in sich. Eigentlich ist es völlig egal, ob man dann fünf, 15, 50, 500 oder 5000 Seemeilen weit segelt. Jetzt, im Winter, reichen fünf. Auch das ist das Schöne am Segeln im norddeutschen und südjütländischen Winter. Ich jedenfalls genieße die Stille, solange sie da ist…