Richard Powers: Das große Spiel

„Das große Spiel” ist ein Buch über das Meer und die Welt, und es ist bereits vor etwa einem Jahr erschienen. Ich habe es erst jetzt gelesen. Geschrieben wurde es mindestens vor zwei, wenn nicht eher drei Jahren. Man könnte also denken, wie der Autor unser aktuell größtes Problem so punktgenau und geradezu genießerisch, weil in einem so großartigen Buch verpackt, beschreiben kann? Doch wer sich mit dem Thema befasst hat, wusste natürlich auch vor drei Jahren oder noch länger, was nun völlig ungehemmt in aller Öffentlichkeit deutlich wird. Dass wir unter einer Feudalherrschaft des „Big Tech“ leben, genauer: der „Tech Bros“. Der Spieler, der Verrückten, der maniacs des Silicon Valley, wo sich Kreativität im besten Fall mit gefährlicher Gleichgültigkeit den gesellschaftlichen Folgen gegenüber vereint, im schlimmsten Fall mit ganz übler Ideologie. Und ihrer Kumpels unter den Multi-multi-multi-Milliardären dieser Welt. Der Weg dorthin? Wird ansatzweise, aber dafür sehr eingängig und anschaulich, in diesem schönen Buch über das Meer beschrieben.

Wie passt das zusammen? Powers erzählt höchst anschaulich von vier Lebenswegen, alle auf die eine oder andere Art mit dem Meer verbunden. Alle vier sind sehr unterschiedlich, dabei untrennbar miteinander verwoben, und sie steuern unaufhaltbar auf das gemeinsame Finale auf einer romantischen Südseeinsel zu. Eine clevere und sehr gelungene Konstruktion, die das Buch so vielschichtig macht wie die Unterwasserwelt der Ozeane.

Diese Unterwasserwelt wird ganz zauberhaft beschrieben, in großem Detailreichtum und doch schon fast poetisch, so dass wir in dieses, der Menschheit immer noch fast unbekannte Universum auf dem Planeten „Erde“ mit Staunen und Begeisterung eintauchen können. Ebenso faszinierend sind die Lebensschicksale der vier Hauptpersonen. Von der leidenschaftlichen Ozeanografin und Taucherin über einen introvertierten Büchernerd sowie einer dem Ozean zutiefst verbundenen Künstlerin bis zum Computerfreak, der spielend ein virtuelles Universum erschafft. Welches „Meta“ verdammt ähnlich ist.

Zwischen dem dunklen „Meta“-Universum einerseits und dem wunderschönen, aber durch menschlichen Einfluss immer stärker zerstörten Universum in den Tiefen der Ozeane dieser Welt scheint das Leben an Land oftmals nur noch lächerlich zu sein. Spielplätze sind es beide (das Buch heißt im Original „Playground“, ebenso wie die Welt-beherrschende Firma des Computer-Nerds). Ein göttlicher Spielplatz des Lebens, das in den Tiefen des Ozeans entstanden ist einerseits, und ein Spielplatz durchgeknallter Freaks andererseits, die unbedingt neue, künstliche Welten erschaffen wollen, enthemmt und losgelöst von allen kulturellen Errungenschaften der zivilisierten Menschheit. Und selbst diese neue Welt ist bedroht, von der KI, die sie wohl bald übernehmen wird. Wenn dann auch die Grenzen zwischen „realer“ und „virtueller“ Welt endlich verschwunden sind …

Auf dem Weg dorthin können wir uns zumindest von diesem wuchtigen Buch begleiten lassen, um einige Tatsachen wenigstens ansatzweise begreifen und verstehen zu können. Auch der mächtigste Tech-Herrscher ist nur ein armes Würstchen, könnte eine solche Erkenntnis heißen. Das passt zu dem Satz der Schriftstellerin Rebecca Shaw, ursprünglich in einem Essay im „Guardian“ erschienen und von mir aufgeschnappt in einem lesenswerten Kommentar von Lea Schönborn in „Krautreporter“ zu Elon Musks öffentlichem Hitlergruß: „I knew one day I’d have to watch powerful men burn the world down – I just didn’t expect them to be such losers“. Auf Deutsch: „Ich wusste, dass ich eines Tages zusehen müsste, wie mächtige Männer die Welt niederbrennen – ich hatte nur nicht erwartet, dass sie solche Versager sein würden.“

Aber ich will nicht abschweifen. „Das große Spiel“ von Richard Powers ist, trotz allem, ein Lesevergnügen. Und sei es nur wegen der wunderschönen Passsagen über die Unterwasserwelt, aber es steckt ja noch so viel mehr darin – auch mehr, als ich hier beschrieben habe. Weil ich mich wohl zu sehr auf nur eines der vielen aktuellen Themen, die hier berührt werden, konzentriert habe. Das Ende ist übrigens einigermaßen offen, es obliegt der lesenden Person, darin entweder einen optimistisch-versöhnlichen Ausgang zu erkennen, oder das genaue Gegenteil …

Fazit: eine ganz unbedingte Leseempfehlung!

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