Hier haben wir endlich ein Fachbuch nach meinem Geschmack! So trinkt der Norden: Es geht ums Trinken, das allerdings mit Stil und Verstand. Und Seefahrt und Hochprozentiges, das kann man ja ohnehin kaum voneinander trennen. Seehelden einst und jetzt kommen gar nicht ohne Alkohol aus. Die berühmt-berüchtigten Piraten waren notorische Säufer, die Entdecker vermutlich auch, die Helden der britischen Navy erst recht. Der beste Rum im 18. und 19. Jahrhundert war der berühmte „Navy Rum“ der britischen Kriegsmarine, anders als damit konnten weder die Mannschaften, noch die höheren Dienstgrade auf Dauer bei Laune gehalten werden. Auch der Grog ist eine Erfindung der englischen Marine, wie man auch in diesem schönen Buch nachlesen kann – und wie der Name „Grog“ überhaupt zustande kam.
So trinkt der Norden – auch an Land
Allerdings, der Fokus dieses Werkes liegt nicht so sehr auf der berauschenden Seefahrt, denn mehr auf den Getränken an sich. So wird auf die Geschichte von Bier, Wein, Korn, Rum, Whisky und so weiter erzählt und auch, was es in dieser Hinsicht in einzelnen Ländern und Regionen des Nordens für Unterschiede gibt. Spannend sind auch die Beiträge über aktuelle Brauer und Brenner und deren meist handgemachter Produkte. Und was es da nicht alles gibt – Wein aus Dänemark und Whisky aus Norddeutschland und besondere Biere aus der „Landgang Brauerei“.
Wobei, wie eingangs bereits festgehalten, der Genuss alkoholhaltiger Erfrischungsgetränke sich unter Seeleuten nicht auf den Landgang beschränkt. Sir Robin Knox-Johnston (er segelte als erster alleine nonstop um die Welt, 1968-69, und ist seither ein vielfacher Segelheld mit diversen Hochseerekorden) hat immer einen guten Whisky an Bord und wenn der mal leer ist, und nur dann, meint er dass er sich in einer brenzligen Situation befindet. Sein Vorbild, Sir Francis Chichester, der einige Jahre vorher (1966) die Welt ebenfalls alleine umrundete, allerdings einen Zwischenstopp in Sydney einlegte, sagte bei seiner triumphalen Rückkehr nach England, als er als Nationalheld gefeiert und zum Ritter geschlagen wurde: „Jeder Trottel kann nüchtern um die Welt segeln. Man muss schon ein echter Seemann sein, um es auch besoffen zu schaffen!“
So trinkt der Norden – Empfehlungen
Aber ich schweife ab vom Buch, das ich hier vorstellen und empfehlen möchte. Für alle, die im Norden unterwegs sind, gibt es hier zahlreiche gute Adressen von Brennern und Brauern, die man besuchen und bei ihrer Arbeit stören kann, deren vorzügliche Produkte man vor allem kosten und kaufen kann. Vorgestellt werden die, nach Meinung der AutorInnen, besten Brauer und Brenner in Norddeutschland, sowie die besten Brenner in Nordeuropa, von den Britischen Inseln bis nach Finnland.
Insgesamt eine höchst anregende Lektüre, in einer gelungenen Balance aus Lesen und Lernen, Unterhaltung und Weiterbildung. Am besten zu genießen an Bord beim traditionellen „Besanschot an!“. Ein Begriff, der sich zum Zwecke des ritualisierten Trinkens an Bord aus den Zeiten der stolzen Großsegler bis heute gehalten hat. Damals war das Belegen der Besanschot die letzte Aktion nach einer auf Vollschiffen ja durchaus komplizierten Wende, zu der auch die Freiwache mit an Deck musste. Oft wurde daher nach der Meldung „Besanschot an!“ ein Glas Rum ausgegeben. Auch, wenn eine Yacht heutzutage wesentlich einfacher zu wenden ist: Der Spruch hat sich gehalten, erstaunlicherweise auch auf solchen Schiffen, die, einmastig getakelt, ganz ohne Besan unterwegs sind…
Eine in diesem Buch unerwähnt gebliebene Autorität zum Thema Weingenuss auf See möchte ich hier abschließend noch einmal erwähnen. Hilaire Belloc, ein französischer Politiker, Poet und Segler, der in den 1920er Jahren in England lebte und mit einem alten, motorlosen Gaffelkutter im Ärmelkanal unterwegs war, sagte einmal: „Ich würde lieber vor Durst sterben, zehn Meilen vor der Küste in einer unverschämten Flaute, nachdem ich mein Beiboot im letzten Sturm verloren habe, denn etwas an Bord zu haben was heute so ungeheuerlich als Hilfsmotor bezeichnet wird.“ Das ist schon eine starke Aussage, nicht nur, aber gerade für einen gebürtigen Franzosen (selbst, wenn er in England gelebt hat): Lieber vor Durst sterben. Hilaire Belloc sagte nämlich auch: „Ich trinke keinen Alkohol. Ich trinke Wein!“ Das sagt alles, denn auch ihm ging es nicht um den Alkohol, sondern um den Genuss. Er hatte immer ein Fass Wein an Deck festgelascht. Guten, herben roten Landwein aus Frankreich.
Soviel dazu. Klar ist auf jeden Fall, dass das Buch „So trinkt der Norden“ als kleine Kulturgeschichte des Trinkens im Norden auch und gerade für Segler und Seefahrerinnen besonders interessant ist.