Ich segele gerne im Winter. Gut, viele andere SeglerInnen werden das vermutlich auch tun. In der Karibik, zum Beispiel. Oder anderswo in den Tropen. Oder, sollte es einem dort dann doch zu heiß sein, zumindest im europäischen Süden; ich habe auch schon mal einen oder zwei angenehme und sehr milde Winter als Liveaboard in der Algarve verbracht, und wir waren Sylvester segeln und sind ein Jahr später, am nächsten Tag also, schwimmen gegangen im überraschend warmen Meer vor den manchmal einsamen Sandstränden zwischen den gelben Felsen an der Küste bei Lagos.
Winter in der Marina von Lagos, Algarve
Aber das meine ich hier jetzt nicht. Ich meine den Winter im Norden. Ja, dort wo es dunkel ist und kalt und wo die Menschen einst dick vermummt über die Weihnachtsmärkte bummelten und dabei heißen Glühwein tranken, damit sie nicht zu sehr frieren.
Winter im Norden. Andreas bei einer winterlichen Überführung auf der Ostsee
Das geht ja derzeit nicht mehr. Aber man kann es auch an Bord haben, sogar den Weihnachtsmarkt, jedenfalls in klein. Ich habe einen wunderbaren, mit weißem Kunstschnee bestäubten, immergrünen Plastik-Tannenbaum von etwa 30 Zentimeter Höhe. Für den weihnachtlichen Bordgebrauch. Dazu, eigenhändig aus Zakynthos importiert, einen griechischen Weihnachtsesel mit Glocke, auch im Miniaturformat, schließlich noch einen goldenen Schlitten von drei Zentimetern Kürze – keine Ahnung, warum und wann der vom Himmel gefallen ist, aber es muss passiert sein. Jedenfalls war er dann an Bord und, zusammen mit dem Glühwein, ließ sich damit eine formidable Weihnachtsstimmung unter Deck herbeizaubern.
Man könnte die Weihnachtsmärkte aber auch in groß und in echt haben, wenn es sie denn noch gäbe, wenn man nämlich hinsegelt. Damals, als das noch ging, habe ich das gerne getan. Vor allem nach Dänemark, nach Aarø oder Svendborg zum Beispiel. Hier, und fast überall, gibt es hyggelige Julemärkte. Auf eigenem Kiel angesteuert, sind sie nochmal so schön, wie ohnehin schon.
Dyvig, mal anders – ganz leer, im frühen Frühjahr…
Gut, zuweilen froren die Schoten auf den Winschen fest, so dass man sie, rechtzeitig vor der nächsten Wende, mit dick behandschuhten Fingern behutsam lösen musste. Hauptsache, unter Deck war es warm und der Kessel mit dem heißen Wasser für den Grog oder eben der Topf mit dem Glühwein blieben heiß und auf dem Herd.
Wunderbares Wintersegeln!
Und dann das wunderbare Ankommen im nächsten Hafen. Kein Sonnenbrand. Kein Stress mit Liegeplätzen, selbst in der „dänischen Südsee“ nicht. Keine Havnepenge! Da hatten wir den kompletten Hafen für uns. Und dann die Stimmung, abends, nachts. Stilles, schwarzes Wasser. Kein Mensch, dafür umso mehr Tierleben. Vögel, vor allem, trotzdem es ja Winter ist. Und eine unglaubliche Ruhe über allem. Klare Luft.
Unser früheres Wohnschiff in Hamburg, Teufelsbrück. Winter…
Das ist doch das Paradies, oder? Nach Stunden unterwegs, durchgefroren aber glücklich festgemacht (also nicht viel anders, als im durchschnittlichen Ostsee-Sommer), doch jetzt mit festlichem Kerzenschein in der wohlig beheizten, warmen Kajüte – während draußen die ersten Schneeflocken romantisch in der Dunkelheit an Deck fallen. Hach!
Finde den Fehler. In diesem Jahr können wir nicht mehr nach Dänemark segeln und auch die beliebten und belebten Weihnachtsmärkte fallen aus. Trotzdem kann man natürlich segeln, einige Freunde von mir waren dieses Wochenende, am 2. Advent, gerade unterwegs zum Adventssegeln auf der Flensburger Förde. Aber ich bin leider gerade gestrandet an Land, sozusagen zwischen zwei Booten; eines habe ich vor einigen Wochen verkauft und das andere noch nicht gekauft.
Derweil träume ich. Nicht vom Segelsommer. Sondern vom verpassten Segelwinter.