Wieder Zuhause. Das Boot schwankt, in den Böen legen wir uns auf die Seite, als würden wir segeln. Der Wind jault und jodelt aufdringlich laut im Rigg, zum Glück blieb mir beim An-Bord-Gehen der waagerecht peitschende Regen erspart, der normalerweise diese Wetterlagen hier begleitet. Heute Morgen noch unter blauem Himmel bei über 20 Grad im T-Shirt draußen gefrühstückt, mit Blick über die in der Sonne friedliche glitzernde Bucht, bei „Bobo“ vor der Tür, mit köstlichem Milchkaffee und frischem O-Saft und knackigem Baguette. In meinem immer noch geliebten Cannes, obwohl die Stadt sich über die Jahre so sehr verändert hat, und das nicht unbedingt zum Vorteil. Wie ein alter Freund, der auch allmählich wirklich alt wird und seine Schrullen und Launen immer unverhohlener zeigt. Dabei ist das Leben in Cannes doch immer noch so trügerisch leicht und süß, jedenfalls solange die Bankautomaten bereitwillig das Geld ausspucken. In den warmen Septembernächten wirkt es, als feierte die bunt gemischte Menschenmenge auf der Straße und dort an den vollen Tischen der Restaurants und Bistrots und Bars ein einziges Fest. Tagsüber lockt das Mittelmeer, in dem man noch schwimmen könnte oder sich, wie ich, am Blick auf die Iles des Lérins, den Horizont nach Süden und dem wunderbaren Panorama des Esterel-Höhenzuges am Meer dauernd neu freuen kann. Auch wenn, in letzter Zeit, immer mal wieder geschmacklose Megayachten oder noch scheußlichere Kreuzfahrer in der Bucht ankern und diesen Blick dann zumindest temporär trüben. Das träge Schwappen der Wellen auf dem Strand bleibt, die Palmen an der Croisette auch.
Und nun das. Sturm schon im Anflug auf Hamburg und seit ich gelesen habe, dass der Hamburger Flughafen bei Starkwind besonders schwer anzufliegen und beim Laden geradezu gefährlich ist, weil die Sturmböen wohl die Angewohnheit haben quer zur Landebahn einzufallen, hatte ich mir wieder einmal geschworen im Falle einer glücklichen und sicheren Landung das Schicksal nicht noch weiter herauszufordern und deshalb nie wieder zu fliegen. Durchgeschüttelt wie bei sechs Windstärken und Wind gegen Tide in der Elbemündung, ächzt und klappert das Flugzeug und wackeln die Flügel, dass ich mich besorgt fragen muss, wie lange es wohl dauert bis das Metall ermüdet und einfach reißt. Dann fallen, wegen des Unwetters wie es im Chaos des Hauptbahnhofes heißt, etliche Züge aus, auch alle nach Flensburg – bis Kiel oder Neumünster könne ich vielleicht noch kommen, so der wenig hilfreiche Hinweis, aber bis Flensburg heute auf keinen Fall mehr. Zum Glück gibt es noch die Busse, die fahren auch und so komme ich spätabends doch noch an Bord, um eine neue Erfahrung reicher, denn diese Überlandbusse hatte ich bisher immer gemieden, sind die Straßen, wie ich finde, doch schon voll genug. Sorgen, die ich mir unterwegs um das Schiff gemacht hatte angesichts des wirklich wütenden Wetters, erweisen sich als unbegründet. Als ich an Bord komme, justiere ich eine der Vorleinen und verdoppele die Festmacher, aber eigentlich nur um Madonna und mir zu zeigen, dass ich mich auch wirklich kümmere.
Etwas Gutes haben lange und mühsame Reisetage wie dieser: Zeit zum Lesen. Beim Warten, in Flugzeugen und Bussen kann man wunderbar lesen und ohne ein wirklich gutes Buch wäre das alles kaum zu ertragen. Heute wurde ich von Jonathan Raban begleitet und seiner „Passage to Juneau“, wo er seinen Segeltörn (und noch sehr viel mehr) von Seattle nach Alaska beschreibt. So, dass in mir der alte Wunsch wieder erwacht, auch diese Gewässer einmal selber zu besegeln, am besten natürlich mit dem eigenen Boot.
Jetzt trommelt auch der Regen aufs Deck, Wellen schlagen gegen den Rumpf, die Geräusche im Rigg werden schrill und die Kerzen sind kurz davor, vom Tisch zu rutschen. Zeit, um die warmen Filzpantoffeln anzuziehen und die Heizung anzufeuern. Alaska? Das Wetter dazu haben wir ja schon. Gemütlich ist es ja, so im sicheren Hafen, warm und trocken – aber ich fürchte es wird nicht lange dauern, bis mich die Lust nach Sonne und süßem Leben wieder packt. Alaska kann wohl doch noch etwas warten…