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Nina George: Das Lavendelzimmer

Etwas ungewöhnlich ist er ja schon, dieser Anblick von Lavendelblüten auf Literaturboot.de. Auch der Titel klingt alles andere als maritim. Rein äußerlich hätte mich das Buch auf einem Büchertisch wohl kaum angesprochen, dennoch habe ich mich an Bord gewagt, an Bord der literarischen Buchapotheke, die Jean Perdu 20 Jahre lang mitten in Paris auf der Seine betrieben hat. Und dann hat der heilende Buchhändler auch schon die Leinen losgeworfen, das Bücherschiff Lulu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgeführt und ist auf verschiedenen Kanälen und der Rhone durch die Provence bis Sanary sur mer getuckert. Mir blieb nichts übrig als anzuheuern in der Welt dieses fünfzigjährigen Literaturpharmazeuten, der seinen Kunden Bücher entsprechend ihrem Seelenzustand empfiehlt. Perdu selbst hat seine Gefühle vor 20 Jahren abgeschlossen wie das Zimmer, in dem er eine Frau heiss geliebt hat – die ihn verliess, um ohne ihn weiter zu leben, wie er damals glaubte. Doch Perdu ist mit seiner pharmacie littéraire nicht auf der Suche nach jener Geliebten, denn diese Frau ist lange tot. Perdu sucht den Autor (oder die Autorin) eines unter Pseudonym veröffentlichten Romans, welcher ihn „wieder atmen machte“. Begleitet wird der Buchhändler, der die Bücher nach ihrer Wirkung und die Lebensmittel alphabetisch ordnet und der ausschließlich den dreifachen Satz der gleichen Kleidung besitzt, von dem Debütautor Max Jordan, der auf der Suche nach Inspiration für seinen zweiten Roman ist. Die beiden sind in ihrer neuen Eigenschaft als Seeleute noch unerfahren, doch was liegt näher als sich die notwendigen Kenntnisse aus Büchern anzueignen? So skizziert die bücherliebende Nina George Bilder wie den jungen Bestsellerautor beim Anlegen mit einer Knotenkunde neben sich auf dem Steg, um die Festmacher auf der Klampe belegen zu können. Eigentlich wären die 361 Seiten schnell zu lesen, würde sich die Leserin nicht dann und wann nach Frankreich träumen oder Wortkreationen suchen wie Max Jordans Sternensalz, der Spiegelung der Sterne auf den Flüssen. Der Roman spricht mir an vielen Stellen aus der Seele, bspw. wenn Perdu in Sanary sur Mer täglich und manchmal auch nachts Salzkarameleis verzehrt. Oder wenn sich Samy, die lacht wie ein Kranich trompetet, mit einem Regenschirm in der Hand rückwärtig vom Ufer in die Seine stürzt, um zu erleben, was die dabei empfundene Angst ihr für das Leben mitteilt – um schließlich infolge der Dinner-Einladung ihres Retters, des italienischen Gourmet-Kompositeurs Cuneo, der auf dem Schiff Unterschlupf fand, sogleich mit Reisegepäck an Lulus Gangway aufzutauchen. Meine Lieblingsszene ist jedoch die Erinnerung Perdus an die gemeinsam mit der geliebten Manou in der Camargue verbrachten zwei Wochen, jener ‚halben Mondreise‘. Ein Roman, in dem nicht nur die vielen sympathischen Charaktere, sondern auch die Tagebücher der Verstorbenen zu Wort kommen, in dem die Philosophie des Tangos und der Tango-Milongas in Aulas, stillgelegten Turnhallen und Scheunen einen Platz findet. Ein Roman, in dem gesucht, geliebt, gekocht und getanzt wird. Ergänzt wird der Roman durch eine literarische Notapotheke sowie durch Kochrezepte aus der Provence. Insgesamt liegt hier eine Auseinandersetzung mit dem Lesen und dem Schreiben, dem Sehnen und der Liebe, dem intensiven Leben und dem bewussten Sterben vor. Am Ende finden alle, was sie suchen, wenn auch nicht immer in der erwarteten Form. Ein Buch, das inspiriert, aus dem Leben zu schöpfen. Ein humorvoller, romantischer und sinnlicher Roman, der es nicht schwer macht zu glauben, dass Nina George unter dem Pseudonym Anne West auch erotische Literatur schreibt (und mit ihrem Mann unter dem gemeinsamen Pseudonym Jean Bagnol Provencethriller). Ein Roman, der die Bestsellerlisten erklimmt und mittlerweile in 28 Sprachen übersetzt wurde. Unterhaltsam ist er allemal. Eine leichte Sommerlektüre für Leserinnen (und vielleicht auch Leser) in der Mitte ihres Lebens – nicht nur für den Frankreich-Urlaub oder den Sommer an Bord!

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