In zwei Tagen, am Sonntag den 6.11., ist es soweit. 29 Solosegler starten zum achten Vendée Globe Rennen. Das größtmögliche Abenteuer unter Segeln: Alleine und nonstop um die Welt, ohne Hilfe von außen, ohne Atempause, dafür im wahnwitzigen Rennen gegen eine hungrige Konkurrenz. Gut 24.000 Seemeilen, von Les Sables d’Olonne an der französischen Atlantikküste zurück nach Les Sables d’Olonne, um die drei großen Kaps im Süden, ein Mann (in diesem Jahr ist keine Frau am Start, im Gegensatz zu früheren Rennen) und ein Boot, zwischen vielleicht 75 und 120 Tagen auf hoher See unterwegs.
Dieses Rennen ist so pur und simpel, wie es nur sein kann und schon immer war. Boot, Mensch, Ozean. Gerade in Zeiten dauernder Erreichbarkeit und ständigen Geplappers in den Social Media Netzen übt dieses extreme Rennen einen ganz besonderen Reiz aus: Neben 20 französischen Seglern sind diesmal auch Teilnehmer aus England, Ungarn, Irland, Japan, den Niederlanden, Neuseeland, Spanien, der Schweiz und den USA dabei.
Seit dem letzten Vendée Globe vor vier Jahren hat es einen technologischen Quantensprung gegeben: Foils haben auch bei diesen Booten Einzug gehalten. Sieben neue Boote der IMOCA Open 60 Klasse haben diese Foils. Sie stehen wie riesige Schwerter seitlich aus den Booten heraus und heben es beim Segeln an, verringern damit den Wasserwiderstand und machen die Boote damit schneller. Wenn alles funktioniert. Als sie vor etwa einem Jahr zuerst auf kürzeren Ozeanrennen eingesetzt wurden, gab es noch sehr viele Ausfälle und Schäden. Seither hat sich zwar etwas getan, aber in diesem Rennen? Immerhin ist dies der härteste Test, den man sich für ein Segelboot ausdenken kann. Die Fragezeichen bleiben also, und damit bleibt es auch spannend: Schaffen die „Foiler“ es, in einem Stück vom Start bis wieder zurück ins Ziel zu kommen und können sie dann ihre potenziell höhere Geschwindigkeit ausspielen? Oder sind hier doch eher die bewährten, stabilen Boote im Vorteil?
Der Engländer Alex Thomson belegte im letzten Vendée Globe den dritten Platz. Nach vielen Havarien und Schäden in früheren Rennen segelte er dabei ein solides, bewährtes Boot. Und er segelte es gut und clever auf diesen Podiumsplatz. Jetzt allerdings ist er wieder dabei, an vorderster Front der Technologie, mit einem radikalen neuen Design, welches nur so strotzt vor innovativen Ideen und modernsten Gadgets. Und natürlich mit seitlichen „Flügeln“. Die sollen das Boot bis zu fünf, sechs Knoten schneller machen – wenn es abhebt. Allerdings, bevor es abhebt bremsen diese Dinger auch ganz enorm, denn hundertprozentig einfahren kann man sie wohl nicht. Und wenn man beim Segeln damit ein UFO trifft, ein „unidentified floating object“, dann stehen die Chancen gut, dass die Flügel abgerissen werden. Dann allerdings wären auch wieder die Boote im Vorteil, die von vornherein nicht auf diese Foils setzen.
Wer also gilt als Favorit in diesem Rennen? Das ist die ewige Frage, über die sich die Gemüter erhitzen und die Experten streiten. Neben Thomson gibt es noch fünf weitere, sehr erfahrene Skipper, deren Boote dank Foils abheben können: Armel Le Cléac’h, der in den beiden letzten Vendée Globes jeweils zweiter wurde. Sébastien Josse, der 2008-09 die meiste Zeit führte, bis er wegen Ruderbruchs aufgeben musste. Jean-Pierre Dick ist ein Routinier, der schon etliche Ozeanrennen gewann, darunter das Barcelona World Race. Und Jéremy Beyou, der bereits zweimal am Start war, es bislang aber noch nicht bis in Ziel geschafft hat.
Der einzige Segler am Start, der das Rennen schon einmal gewonnen hat, segelt dagegen ein „klassisches“ Boot: Vincent Riou, Sieger im 2004-05 Vendée Globe, setzt auf ein zwar stark optimiertes und ausgefeiltes Boot, das aber eben eher einfache Anhänge (Schwerter, Kiel) und keine Foils hat. Er glaubt fest daran, dass sein Boot über die Gesamtstrecke hinweg wenigstens mit den Foilern mithalten kann, wenn es nicht sogar wegen der besseren Allround-Eigenschaften überlegen ist.
Es bleibt also, wie immer, spannend. Schon in den letzten paar Wochen pilgerten Zigtausende von Segelbegeisterten als Zuschauer zum Race Village nach Les Sables d’Olonne und auch dieser Start heute ist wieder ein gigantisches Fest. Verfolgen kann man das epische Rennen am besten auf der Webseite der Veranstalter (auf Französisch und Englisch):vendéeglobe.org. Wir wünschen allen Seglern alles Gute, Mut und Kraft und Glück und dass sie alle heil wieder zurückkommen mögen. Und bedauern, dass auch diesmal keine Deutsche, kein Deutscher am Start ist. Wenigstens zwei hätten das Zeug dazu, Boris Herrmann und Jörg Riechers sind die bekanntesten, vermutlich auch noch einige mehr. Doch leider gibt es hierzulande zuwenig Unterstützung dafür. Schade.