Nach Jahren im Kalten ist das neue Buch von Peter Høeg warm und witzig.
Als Karen Blixen von ihrer Farm in Afrika nach Dänemark zurück kam, sagte sie: »Die Medizin für alles ist Salzwasser: Schweiß, Tränen oder die See!« An diese Worte denke ich, als ich im Zug von Kopenhagen nach Jütland unterwegs bin um Peter Høeg zu treffen.
Der Bestsellerautor von Fräulein Smillas Gespür für Schnee hatte seit seinem literarischen Durchbruch eine schwierige Zeit durchgemacht; mit einem selbst verordneten Exil von der Hauptstadt, einer Scheidung und zehn Jahren zwischen zwei Büchern, wobei sein Buch Das stille Mädchen von 2006 eher verhalten aufgenommen wurde.
Seit mehr als einer Dekade hatte Høeg keinem ausländischen Journalisten mehr ein Interview gegeben, doch am Bahnhof von Vejle holt er mich mit einem Lächeln ab. »Ich freue mich auf das Gespräch«, sagt er. Er wirkt einfach und irgendwie symmetrisch: ein weißes, kragenloses Hemd, kurzes helles Haar, ein geometrisches Gesicht und eisblaue Augen. Ich bestelle Kaffee, er Mineralwasser. Ausgeglichenheit und Disziplin sind seine Maxime, geboren aus verschiedenen Phasen seines Lebens als Fechter, Seemann und Tänzer.
Ein besinnlicher Ansatz zeichnet auch seine Arbeitsweise aus. »Ich habe einen Rhythmus aus Meditieren, dann Schreiben, dann Meditieren und dann wieder Schreiben«, sagt er. Meditiert er auch über seine Texte? »Nein, das Meditieren dient für mich dazu, die Tafel leer zu wischen!«
Für seinen neuen Roman, Die Kinder der Elefantenhüter, erfand Høeg die dänische Insel Fino, auf der ein Pastor und seine Frau ebenfalls die Tafel leer gewischt haben. Sie verschwanden im Küstennebel und ließen ihre Teenager-Kinder zurück, die sich seither fragen, ob ihre Eltern wohl Bauernfänger welcher Art auch immer seien. Es folgt eine komische Achterbahnfahrt, ein Road Movie quasi, in dessen Verlauf auch Terroristen und Verfolgungsjagden in Pferdeschlitten vorkommen. Schuld, sowohl auf Eltern-, als auch auf Kinderseite ist ein Thema, das Høeg fasziniert. Das Buch fragt uns, wie gut wir eigentlich unsere eigenen Eltern kennen und ich frage Høeg, ob er dabei auch an seine eigenen Erzeuger gedacht habe. »Das stand nicht im Vordergrund meiner Gedanken, aber andererseits, stellen wir nicht alle immer unsere Kindheit in Frage? Ist es überhaupt möglich, irgendeine Geschichte zu erzählen die nicht auf die eine oder andere Art auch aus unserer Kindheit kommt? All die grundsätzlichen Erfahrungen von Liebe und Zurückweisung, Erfolg und Scheitern, sind in unsere ersten sieben Lebensjahre eingebaut. Und wie in allen Familien gab es Komplikationen«, meint er.
Im Buch erleben die Kinder immer mal wieder Augenblicke der Überweltlichkeit, das ist dann immer »Die Tür«. Høeg selbst ist als Mittzwanziger durch eben solch eine Tür getreten. »Als ich aufwuchs segelte ich die Yachten reicher Leute. Einmal hatten wir den Atlantik überquert und kamen zu den Azoren. Ich konnte spüren, dass etwas in der Luft lag. Ich wusste nicht, was es war. Als die anderen an Land gingen um ein Bier zu trinken, ging ich in einen alten Teil von Ponta Delgada«, erinnert er sich. »Ich saß etwa eine Stunde lang auf einer Bank und da hat sich die Welt irgendwie verändert, und mein Gehirn ebenfalls. Es war eine Art offene Fröhlichkeit, ohne jeden Grund. Ich wusste, dass ich etwas über das Leben erfahren hatte. Es hatte nichts zu tun mit Religion oder irgendwelchen Göttern. Es war einfach eine ganz grundlegende Möglichkeit, die jedem Menschen zugänglich war.«
Sein Ruf als Einsiedler ist, behauptet er, irreführend. »Schon nach meinem ersten Buch, Die Geschichte der dänischen Träume, spürte ich dass es einen Widerspruch, ein Dilemma geben würde zwischen meinem natürlichen Wunsch ein zurückgezogenes Leben zu führen und dem Wunsch, eine große Leserschaft durch die Medien zu finden. Also installierte ich Filter: Mein Privatleben zu schützen, mit einer geheimen Adresse und einer geheimen Telefonnummer.«
Dann bestätigt er seine Liebe zu Dänemark. »Ich bin privilegiert und glücklich in dieser schützenden und kleinen Gesellschaft mit ihrer ökonomischen Stabilität«, sagt er. Als Fräulein Smilla zu einem internationalen Bestseller wurde und auch in Hollywood ankam, gab es grenzwertige Situationen. »Es gab Momente in denen mich Fernsehreporter plötzlich gefunden hatten und einfach die Tür aufmachten und filmten. Und ausländische Verleger setzten sogar Privatdetektive auf mich an.«
Die literarische Welt in Dänemark ist dagegen eine ruhige. »Bücher sind eine sehr langsame Frage. Es wird gefährlich wenn Energie in Form von Aufmerksamkeit oder Geld oder Macht fließt. Das gehört dir dann nicht mehr«, meint Høeg. Die Reaktionen auf Das stille Mädchen haben ihn schockiert. Es ist ein philosophischer Thriller auf mehreren Ebenen, über einen Spielsüchtigen Clown mit einer Bach-Besessenheit. »Ich weiß, es war ein schwieriges Buch. Aber die Menge an Informationen die man verdauen muss um die ersten Matrix-Filme oder Memento oder Inception zu verstehen, die vielen verschiedenen Ebenen dort… mein Buch ist nichts dagegen.«
Im Vergleich dazu ist Die Kinder der Elefantenhüter eine ganz einfach und linear erzählte Geschichte. Das Resultat ist eine fröhlichere Geschichte und, wie es scheint, ein glücklicher Autor. »Es gibt mehr Toleranz gegenüber den Charakteren, es gibt mehr Humor und vielleicht auch etwas mehr Wärme«, meint er mit einem Lächeln. »Das ist in etwa die Richtung, in die ich auch mein Leben gerne sich entwickeln sähe. Wenn mir das also gelungen ist, dann heißt das auch dass das Leben in eine OK-Richtung geht.«
The Daily Telegraph / The Interview People
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