Helgoland – Der Sirenengesang des „Fuselfelsens“

Warum segeln wir, oder ziemlich viele von uns, eigentlich immer wieder so gerne nach Helgoland? Vermutlich, weil sie einfach dort liegt, diese etwas andere und durchaus leicht exotische Insel in der Deutschen Bucht. Ein ideales Wochenendziel, von den meisten Häfen an der Norddeutschen Küste aus. Denn ja, sie liegt eben in der Deutschen Bucht, im südöstlichen Zipfel der Nordsee, etwa 30 Seemeilen von Cuxhaven entfernt. Nüchtern betrachtet, was, im Falle dieses auch so genannten „Fuselfelsens“ vielleicht ein Antagonismus ist, kann man diese Insel also eher nicht als „Hochseeinsel“ bezeichnen, was nicht nur in der Tourismuswerbung viel zu oft vorkommt. Das ist angesichts der geografischen Fakten einfach totaler Quatsch.

Aber wie auch immer, diese Insel lockt uns SeglerInnen, auch durch Schnaps und Diesel und Zigaretten und Parfum und was es dort nicht noch alles in rauen Mengen und vor allem billig zu kaufen gibt, weil Zoll- und Steuerfrei. Sicher auch deswegen sind meine Kumpels und ich einst, als wir noch zarte Jünglinge so um die Anfang Zwanzig waren, mit dem Segelboot meines Vaters ein, zwei Jahre lang fast jedes Wochenende von Hamburg aus dorthin gesegelt. Was ermöglicht wurde durch die erstaunliche Tatsache, dass, wer sich in der Elbemündung auf die gerade anrollende, junge Flutwelle setzt und dann mit mindestens fünf Knoten mithalten kann, in einem wenn auch langen Segeltag bis nach Hamburg kommt. Der Hinweg hingegen dauerte immer zwei Tiden, das ablaufende Wasser war spätestens bei Brunsbüttel, tja, abgelaufen und man musste einige Stunden gegen die kräftige Flut ansegeln (meist mehr oder weniger auf der Stelle), bis man mit dem nächsten Schub ablaufenden Wassers aus der Elbemündung hinaus und fast bis zum „Felsen“ gespült wurde. Daraus ergab sich, mit vom Tidenkalender diktierten Variationen, der praktische „Fahrplan“: Freitags am Nachmittag, abends oder nachts in Hamburg los, ETA auf Helgoland entsprechend irgendwann im Laufe des Samstags. Samstagabend feiern auf dem Felsen, Sonntag früh und üblicherweise stark verkatert wieder los und irgendwann abends oder nachts zurück in Hamburg.

Warum fällt mir das jetzt, so viele Jahre später und mitten im Winter vorm knisternden Kaminofen an Bord meines Bootes ein? Es gab damals eine gesunde Rivalität zwischen segelnden aus Bremen und aus Hamburg. Noch zusätzlich angefacht durch einen Preis in Form einer Literflasche anständiger Spirituose, die damals von einem Inselansässigen Schiffsausrüster für diejenige Yacht gestiftet wurde, die besonders spät in der Saison dort aufkreuzte. Und eine weitere Buddel für die Yacht, die als erste der neuen Saison im Südhafen anlegte. Das ging eine Weile ganz gut, bis eine besonders schlaue, und harte, Crew auf die eigentlich naheliegende Idee kam, über Sylvester nach Helgoland zu segeln um beide Flaschen zu kassieren…

Von den wenigen, vorausschauenden WissenschaftlerInnen des „Club of Rome“ einmal abgesehen konnte damals noch niemand das Wort „Klimawandel“ auch nur buchstabieren. Dennoch hatten wir in einem Jahr einen besonders milden Februar. Immer noch frisch genug, aber ohne allzu viel Eis und Schnee. Die Carter 30 meines Vaters, mit der wir damals segelten, stand im Winterlager, im Freien, auf einem umfunktionierten Parkplatz, ganz hinten am Zaun. Dann segelten wir mit dem Boot nach Helgoland und als wir zurückkamen um, auf eben diesem Winterlagerplatz, unser verwaist herum liegendes Pallholz einzusammeln, standen einige andere Bootseigner zwischen den vielen, immer noch dick verpackten Yachten vor unserem leeren Winterlagerbock und kratzen sich am Kopf: Was war denn hier passiert?

Zweierlei. Ein Mobilkran hatte unser Boot über den Zaun gehoben und auf den Weg ins Wasser gebracht. Und zwei Stunden, nachdem wir auf Helgoland eingelaufen und unsere Buddel in Empfang genommen hatten, kam ein Schiff aus Bremen in den Hafen gesegelt. Ich fürchte, und es tut mir leid, aber wir müssen denen die Tour ziemlich vermasselt haben. Denn den ganzen Abend lang versicherten die Bremer Segler uns, dass es ihnen ja so ganz und gar und überhaupt nichts ausmachen würde, dass wir so kurz vor ihnen eingelaufen waren. Und dann auch noch aus Hamburg!

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