Foto oben: Erich und Heide Wilts, 2012
Erich Wilts. Geboren am 20. April 1942 in Lübeck, verstorben am 2. Dezember 2022 in Heidelberg. Aufgewachsen als ältestes von fünf Kindern in Leer, Ostfriesland. Kaufmann, Segler, Entdecker. Ausnahmesegler in mehr als nur einer Hinsicht, immer im Team mit seiner wunderbaren Frau Heide, viele seglerische Erstleistungen und Abenteuer, noch mehr Auszeichnungen und Ehrungen, Buchveröffentlichungen (Heide schrieb, er fotografierte), Vorträge und was nicht noch alles. Seit 1990 segelten sie nur noch, beendeten dazu ihre beruflichen Existenzen – Erich als Geschäftsführer, Heide als Ärztin. Es war ein unglaublich reiches Leben, „larger than life“ wie man auf Englisch sagen würde, welches nun zu Ende gegangen ist. Vieles davon nachzulesen in ihren zahlreichen Büchern.
Was aber war Erich für ein Mensch! Im Kern eher bescheiden. 1984, ich selbst war noch sehr jung, lernte ich ihn und Heide kennen, weil ich ein Interview für die Zeitschrift „segeln“ mit den beiden führte. Damals hatten sie schon herausragende und weite Reisen unternommen, wenn auch in Etappen und, noch, im Rahmen ihrer bürgerlichen Existenzen und der dort zur Verfügung stehenden Urlaube. Ich war von Erich sofort und zutiefst beeindruckt. Von den seglerischen Leistungen, klar, vor allem aber von der menschlichen Seite. Dazu muss ich sagen, dass damals viele Hochsee-segelnde Skipper eher laut, rüpelhaft und mit zweifelhaften Einstellungen und Umgangsformen ihren Crews gegenüber unterwegs waren. Ganz anders Erich: „Der sanfte Hochseesegler“, so überschrieb ich damals das Interview.
Dabei hatte er die Seemannschaft von der Pike auf gelernt. Begonnen mit einer Holzjolle auf der Ems, Anfang der 1960er Jahre dann als Mitsegler und schon bald Wachführer auf den (motorlosen) Yachten des „Hamburger Verein Seefahrt“, die lange Seereisen durchführten. 1965 Teilnahme am Admiral’s Cup und von da an immer weiter. So gesehen, war Erich also durchaus „alte Schule“. Dennoch war er in vielerlei Hinsicht auch unkonventionell, nicht zuletzt natürlich durch den gewählten Lebensstil mit Heide, nämlich nur noch zu segeln. Kompromisslos, wenn es um Seemannschaft oder Sicherheit ging, hat Erich auch immer mal wieder den Sinn von (überholten) Flaggengebräuchen oder anderen Dingen im Segeln hinterfragt. In einem Interview, welches wir vor noch nicht sehr langer Zeit hier für Literaturboot machten, sagte er über Yachtgebräuche: „Wenn dort steht: „Jede in Dienst gestellte Yacht soll…stets einen gepflegten Eindruck machen“, dann fragen wir uns, warum eigentlich? Aufklaren nach einem Törn ist bei uns eine Selbstverständlichkeit. Aber anderen Eignern scheint das nicht so wichtig. Lass sie doch!“
Gesegelt bin ich mit ihm, oder ihm und Heide, leider nie. Aber ich glaube schon, dass er trotz seiner soliden seemännischen Ausbildung und Einstellung alles andere als ein autoritärer Kapitän war; er hat immer verstanden, dass die Mitsegelnden an Bord gerne mitmachen, mitreden und mitentscheiden wollen. Auch wenn der Schiffsführer natürlich immer das letzte und entscheidende Wort hat. Vor allem unter den oft extremen Bedingungen in den einsamsten und unwirtlichsten Gegenden der Welt, die sie so gerne besegelten und erforschten: das Nordmeer mit Grönland und Jan Mayen und Spitzbergen oder Alaska mit der Nordwestpassage oder die Gewässer um Kap Horn und in der Antarktis (inklusive Überwinterung mit Schiffbruch und abenteuerlicher Rettung), Indischer Ozean oder Pazifik. So „nebenbei“ sind sie auch die einzigen Segler, welche alle subantarktischen Inseln Australiens und Neuseelands angelaufen haben.
Ausgezeichnet wurden sie im Laufe ihrer Seglerleben mit allen und den begehrtesten Preisen, die es für Fahrtensegler gibt (oder gab): Darunter auch der Schlimbach Preis (1982), Trans Ozean Preis (1981 und 2002), Goldener Kompass (1996) und etliche mehr. Sicher hat auch Erich sich über Anerkennung gefreut, wichtiger waren wohl immer die Dinge, die sie von ihren Reisen mitbrachten. Neue Einsichten und Erkenntnisse, unauslöschliche Erinnerungen, Freundschaften und auch die vielen großen und kleinen Andenken, die ihr Haus in Heidelberg fast schon wie ein privates Museum der Entdecker wirken lässt.
Viele SeglerInnen haben in Erich Wilts einen guten Freund und ein Vorbild in vielerlei Hinsicht verloren, Heide ihren Lebenspartner mit dem sie soviel erlebt hat, dass es anderen wohl für viele Leben ausreichend gewesen wäre. Meine Gedanken, in Trauer, sind bei ihr und bei Erich, wo auch immer er nun sein mag. Vielleicht, einem alten Seemannsglauben zufolge, ja bei den Albatrossen, den Freunden der beiden, als sie noch und so oft in den hohen südlichen Breiten unterwegs waren… Fahre wohl, Erich.