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Selbststeueranlage: Wind oder Elektrik?

Marmor, Stein und Eisen brechen, ebenso wie Windfahnen und Herzen. Und noch vieles mehr. Es ist jedenfalls herzzerreißend zu erfahren, dass das Golden Globe Race für Simon Curwen nun vorbei ist. Herzzerreißend deshalb, weil er das Retrorennen („Segeln wie 1969“) monatelang, vom Start in Les Sables d’Olonne weg über 20,000 Seemeilen hinweg angeführt hatte, zuletzt mit einem Vorsprung von guten 1000 Meilen. Dann kam sein verhängnisvoller Tag, an dem sein Schiff in schwerem Wetter (40 Knoten Wind, sechs Meter Seen) seitlich von einer großen See rutschte und offenbar einen „Knock-down“ erlitt. Schiff und Mensch überstanden das glücklicherweise ohne Schaden – die Hydrovane Selbststeueranlage leider nicht. Ein Bolzen war gebrochen, und da Simon keinen Ersatz dafür an Bord hat war dies auf See nicht reparierbar.

Damit aber war das Rennen für ihn natürlich beendet. Eine Weile hoffte Simon noch, sein Schiff ließe sich auch ohne Selbststeueranlage irgendwie von selbst zum Steuern bringen, doch diese Idee musste er offenbar schnell aufgeben. Während ich dies schreibe, segelt er langsam nach Chile, wo er einen Hafen anlaufen wird um seine Hydrovane zu reparieren.

Das veranlasste John Harries von der bekannten Blauwasser-Seite „Attainable Adventure Cruising“ zu dem Kommentar „Are Auxiliary Rudder Self-Steering Gears Strong Enough?“ Die Frage drängt sich angesichts dieses Ereignisses auf, man kann sinnvoll drüber diskutieren und über die Unterschiede in den Systemen – einer Anlage mit einem Hilfsruder (Hydrovane) gegenüber einer Anlage mit Servo-Pendelruder, die das Schiff über das Hauptruder steuert (Windpilot, Aries und andere). Mehr dazu in dem unten verlinktem Artikel. Und natürlich in dem Standardwerk zum Thema: „Selbststeuern unter Segeln“.

Ähnlich wie Simon Curwen erging es übrigens schon vorher dem Iren Pat Lawless, der ebenfalls vom Start des Golden Globe Race weg in der Spitzengruppe mitsegelte, mal an zweiter, mal an dritter Stelle liegend. Er musste das Rennen in Südafrika abbrechen, wegen eines Schadens an seiner Aries-Selbststeueranlage.

Dennoch ist es wenig sinnvoll, pauschal alle Windsteueranlagen an sich für „erledigt“ zu erklären. Selbst dann nicht, wenn immer mehr FahrtenseglerInnen sich dafür entscheiden, mit elektrischen Autopiloten über die Ozeane zu segeln. Ist ja auch kein Problem, wenn eine große Crew an Bord ist. Dann kann man immer noch von Hand steuern, falls der Autopilot mal ausfällt. Wer alleine oder auch zu zweit segelt und das Ding auf See nicht selber und mit Bordmitteln reparieren kann, hat dann ein ganz großes Problem.

Denn ausfallen wird auch der Autopilot früher oder später mal. Ja, die Technik wird zuverlässiger. Ja, auch die Stromversorgung an Bord wird leistungsfähiger. Aber damit wachsen auf der modernen Durchschnittsyacht auch die Anforderungen, die Zahl der Verbraucher an Bord. Eine Windfahne benötigt natürlich keinen Strom, das ist eine Binsenweisheit. Aber mehr noch: Je stärker es weht, desto besser funktioniert sie. Doch je stärker es weht, desto mehr Strom frisst der Autopilot. Einige Modelle sind im Betrieb auch ziemlich laut. Im Sturm fällt das wohl nicht so auf, aber bei schönen, eher ruhigen Segelbedingungen kann das schon ganz schön nerven.

Aber das nur am Rande. Eine gut funktionierende, ausgereifte Windfahnensteuerung wie beispielsweise die Windpilot Pacific ist für mich immer noch das beste Beispiel für wirklich geniale Technik. Einfach und sehr clever. Nur von Wind und dem vorbeiströmenden Wasser getrieben. Nicht alle Bootseigner wollen ihre Yacht unbedingt mit immer noch sehr teuren Lithium-Batteriebänken aufrüsten, nicht alle wollen Solarpaneele montieren, bis das Schiff aussieht wie ein Flugzeugträger. Es ist natürlich perfekt, wenn man seinen Bordstrom selber und nachhaltig generieren kann. Das aber funktioniert immer noch am besten, wenn man den Stromverbrauch an Bord möglichst moderat hält. Eine Selbststeueranlage, die nur mit Wind und Wasser funktioniert, ist das perfekte Instrument, um dazu beizutragen. Und so gesehen nicht etwa altmodisch, sondern höchst zeitgemäß.

Aber zu behaupten, solche Selbststeueranlagen wären nun völlig „out“, weil eine nach einem Knock-Down irreparabel beschädigt wurde (und vielleicht wäre sie auf See reparierbar gewesen, wären entsprechende Ersatzteile an Bord gewesen), ist in etwa so, als würde man behaupten, Masten seien überflüssig. Denn davon sind bei Knock-Downs leider auch schon so einige gebrochen…

Die beste Lösung ist natürlich, wie ja eigentlich immer, der Kompromiss. Nämlich beides an Bord zu haben, eine Windfahne und, als Back-up und zum Motoren bei Flaute, einen Autopiloten.

Mehr über Windfahnen in diesem Artikel.

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