Wenn man die dänische Nordseeküste entlang segelt, braucht man entweder ein überdurchschnittliches Wetterglück, oder aber sehr viel Geduld. Eigentlich wollten wir auf dieser Tour die kleinen Fischerhäfen an der jütischen Westküste besuchen, aber das Wetter kam, wie so oft, dazwischen…
Mitternacht auf Helgoland. Eine kleine Brise streicht sanft über den Binnenhafen, während eine Gruppe angeheiterter Seglerinnen aus einer der vielen Kneipen an Land zurück kommen. „Schaut mal, was macht der denn da?”, höre ich eine ungläubige Stimme. Die kleine Gruppe auf der Pier kommt leicht schwankend zum Stehen und ich fühle mich intensiv beobachtet. Lasse mich aber nicht irritieren und binde in Ruhe das zweite Reff in das fast reglos hängende Großsegel. Gelächter von der Pier begleitet mich, als ich die Leinen löse und nur sehr langsam, unter diesem nun winzigen Großsegel, aus dem Hafen schleiche. Ich kann damit leben nicht zu wissen, ob die Heiterkeit durch mich oder irgendeinen angetrunkenen Scherz ausgelöst wurde.
Nach List
Es ist ja aber auch eine ungewöhnliche Zeit zum Auslaufen. Und ganz gewiss nicht meine übliche Art. Aber als ich abends gemütlich unter Deck saß brachte der Seewetterbericht eine deutliche Ansage: starke westliche Winde ab dem kommenden Mittag. Ich aber wollte zu Deutschlands nördlichstem Hafen, List, segeln; etwa 60 Seemeilen entfernt. Aber alleine und mit dieser Vorhersage? Ich steckte meinen Kopf aus dem Luk und hielt meine Nase in die laue Brise. Es gab nur eines zu tun. Ein paar Stunden Schlaf einwerfen und dann sofort los. Um rechtzeitig vor dem angekündigten Starkwind in List anzukommen. Die Ansteuerung jedenfalls ist eine der ganz wenigen entlang dieser Küste, die man auch bei frischem Westwind noch gefahrlos passieren kann.
Ich wollte unbedingt nach List. Das letzte, was ich dagegen wollte, war womöglich gleich mehrere Tage am Stück auf diesem öden roten Felsen eingeweht zu werden. Netter weiblicher Besuch würde obendrein einen Tag später nach List kommen, um ihren Sommerurlaub hier an Bord zu verbringen. Mehr als genug Motivation also, um kurz vor Mitternacht aus der Koje zu kriechen und das Boot seeklar zu machen.
Die dänische Westküste
Was ich damals noch nicht wusste ist, dass dies charakteristisch ist für eine Reise entlang dieser Küste – sofern sie nicht, wie die meisten, im sicheren Abstand dieser notorischen Leeküste weiter draußen auf See und ohne Stopp in einem der Häfen stattfindet: Man muss jedes…