„Tiny Houses“, die gibt es, davon hat man ja schon mal gehört. Neulich war in der „Zeit“ erst wieder ein ausführlicher Artikel darüber (am 16.12.2020), darin hieß es unter anderem: „Ein Tiny House ist die charmante Art des Wohnens. Wie groß, wie schwer, wie teuer darf es sein? Wer viel Liebe reinsteckt, kann sich das auch mit wenig Kapital leisten. Fest steht aber, Tiny Houses sind gefragt. Sie stehen für Minimalismus, Befreiung von überflüssigem Ballast und Konzentration auf das Notwendige, eben für all das, worüber der moderne Mensch so gerne spricht, und was ihm so schwerfällt, in die Tat umzusetzen.“
Da klingelt es bei uns segelnden Liveaboards doch irgendwo, oder? Was aber ist ein „Promadic Traveler“? Wusste ich bis vor einigen Wochen auch nicht. Erst das Magazin „Directions“ , dem Blatt der internationalen Design Hotels, klärte mich mit einem längeren Artikel zu diesem Thema auf.
„Salzboote“ in Aveiro, Portugal
Promadic, stand dort, steht für „progressive nomad“. Ein solcher progressiver Nomade ist, wenn nicht gleich der ideale Mensch, so doch zumindest die ideale Reisende. Umweltbewusst, achtsam, respektvoll der Gemeinschaft gegenüber, die er gerade besucht. Ein „Promad“ hinterlässt dort mindestens ein gutes Gefühl, wenn nicht mehr. Nämlich irgendeinen Beitrag zur lokalen Community. Ein Engagement in welcher Form auch immer. Mir fällt dazu sofort die Seglerin Mareike Guhr ein, die seit Jahren ein Waisenhaus im bitterarmen Haiti mit Geld- und Sachspenden unterstützt, die sie selber einwirbt und dann auf eigenem Kiel, beziehungsweise auf ihren eigenen zwei Kielen, denn sie ist mit einem Katamaran unterwegs, dorthin segelt (den Link zu dieser Aktion gibt es hier; hier geht es zum Literaturboot-Interview mit ihr). Oder segelnde Ärzte, die auf entlegenen Südseeinseln medizinische Hilfe leisten.
Dann gibt es natürlich segelnde Musiker. Die „Sailing Conductors“ etwa, die aus einem langen Törn vor allem ein gigantisches Musikprojekt gemacht haben, mit lokalen Musikern von all den Inseln und Häfen, die sie unterwegs angelaufen haben. Tolle Geschichte, die Jungs lebten nicht nur an. Bord, sondern hatten auch gleich ihr eigenes schwimmendes Tonstudio dabei.
Und sowas kommt dann von sowas:
Ab er auch wir ganz unmusikalischen Seglerinnen sind ja ganz ok. Wir reisen schon eher ökologisch und Carbo-Neutral mithilfe von Wind und Wetter, kommen in kleinen Einheiten und Grüppchen an und benötigen weder Luxushotels noch Airbnb-Städte. Wir geben unser Geld aus, wo wir uns gerade aufhalten und tragen schon alleine dadurch zur lokalen Community etwas bei. Wir interessieren uns für die Menschen, die wir treffen, und die Umstände, unter denen sie leben: Ich muss nicht Urlaub in einer Diktatur machen, nur weil das Wetter dort schön und die Preise günstig sind.
Wobei, wenn ich den Artikel im Magazin der Designhotels richtig verstanden habe, geht es dem modernen Promadic Traveller auch nicht wirklich ums Budget. „Wealth display“, die ebenso krasse wie plumpe Zurschaustellung persönlichen Reichtums ist im Grunde zwar schon längst passé – doch an dessen Stelle tritt, so das Magazin, ein „elevated escapism“. In entlegener Natur diskret eingebettete Luxus-Oasen sollen es eben doch schon sein, wenn auch, immerhin, möglichst nachhaltig gebaut und bewirtschaftet.
Doch wie viel Luxus brauchen wir? Konkreter gefragt: Wieviel Luxus brauchen wir an Bord? Und welchen Preis, nicht nur monetär betrachtet, sind wir bereit, dafür zu zahlen? Ankert eine Megayacht in der idyllischen Bucht im irgendwo, verdoppeln und verdreifachen sich die Preise für Drinks und Lebensmittel in den Beachbars und Buden entlang der Wasserfront. Eine klare Sache von Marktwirtschaft. Die Binsenweisheit „großes Boot, große Probleme“ trifft immer noch zu: All die verfluchte Technik an Bord, für die man eigentlich IT-Spezialisten und, vermutlich, Raketenwissenschaftler mit an Bord haben müsste, wenn sie wieder mal versagt. Vom im beliebten Hafenkino oft beobachteten Stress beim An- oder Ablegen gar nicht erst zu reden, wenn sich zwei ältere Herrschaften mit einem 65-Fuß Kahn abplagen…
In Marokko: Dieses Boot war Jahrelang ein schönes Zuhause für meine Partnerin und mich
Da stellt sich die Frage, warum wir eigentlich segeln. Ich beantworte hier mal den einen Teil, den ich kompetent und ehrlich beantworten kann. Warum ich nicht nur so gerne segele, sondern auch so gerne an Bord lebe. Es geht um ganz einfache Empfindungen, um so primitive Dinge wie Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit, Zufriedenheit. Dafür reichen mir die elf Meter meines Bootes. Ja, ich bin froh, dass ich auf einem „tiny boat“ (so tiny ist es dann ja nun auch wieder nicht) leben und das glücklich und zufrieden genießen kann. Ein völlig anderes Lebensgefühl als in einem Haus an Land: Wasser, Wind und Weite. In jeder Hinsicht!
So war es aber schon lange vor Tiny Houses und Promadic Travellers. An Bord fällt es nicht so schwer, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Und das wird so bleiben. Ganz gleich, was der moderne Mensch an Land so alles anstellt…