Der Laden brummt. Fröhliches Gedränge herrscht an den langen, schmalen Holztischen und Bänken dieser maritimen Kneipe, Stimmengewirr und Gelächter erfüllen den Raum unter den 200 Jahre alten Deckenbalken des ehemaligen Heringsschuppens und quellen nach draußen, bis hinaus zum dem in der Sonne glitzernden Wasser und den dort vertäuten Booten. Auf der engen Terrasse muss man sich vorsichtig bewegen, denn zwischen Bänken und dem Lyngørsund bleiben gerade wenige Fußbreit Raum. „Nein, nein“, lacht Fredrik, der Besitzer des Schuppens, angesichts meiner Frage und bestellt uns gleich noch zwei Bier, „hier ist noch niemand ins Wasser gefallen. Gott ist mit den Zechenden!“
Der Kellner, ein blonder Student aus Oslo, tippt auf seinen tragbaren Mikrocomputer ein und sendet damit die Bestellung drahtlos und direkt an die Bar. Nur wenige Minuten später schlängelt sich die freundliche Kollegin durchs Gedränge und bringt das Gewünschte. Ich bin beeindruckt, Fredrik sagt: „Man muss den Segen moderner Technik eben auszunutzen wissen, wo es sinnvoll ist!“
Das ist schon fast eine Art Credo für den Segelmacher Fredrik Brodersen, 51, dessen Werkstatt sich im Dachboden zwei Etagen über uns befindet und der sich vor 26 Jahren in diesem historischen und damals noch abgelegenen
Seefahrernest niederließ. Die gesunde Verbindung von Tradition und Moderne. Hier, im sommers brodelnden Lyngør, wird das noch auf eine andere Art evident. Der Ort im sonnigen „Sørlandet“, rund 350 Kilometer südwestlich von Oslo am Skagerrak gelegen, ist seit einigen Jahren ein Magnet für Segler und Motorbootfahrer nicht nur aus Norwegen. Und der „Seilmakerfruens Kro“, auf dessen enger Terrasse Fredrik und ich gerade sitzen, ist der zentrale Punkt des Dorfes, dass schon seit seiner Entstehung vor Hunderten von Jahren ausschließlich der See zugewandt war und von der Schifffahrt lebte. Einst waren es Kriegsschiffe und Frachtsegler, jetzt sind es eben moderne Freizeitboote. Damals wie heute gab und gibt es hier weder Straßen noch Landverkehr. Die Ansiedlung verteilt sich auf die vier kleinen Inseln Holmen, Odden, Lyngørsiden und Steinsøya, die rund um den Lyngørsund dicht beieinander liegen. Die einzigen Transportmittel sind seit jeher Boote und Wasserfahrzeuge jeder nur denkbaren Art, der Sund selbst ist die feuchte…