Jón Kalman Stefánsson: Das Herz des Menschen

Jón Kalman Stefánsson gehört zu den wichtigsten isländischen Gegenwartsautoren. „Das Herz des Menschen“ ist das dritte Buch einer Trilogie (nach „Der Schmerz der Engel“ und, davor, „Himmel und Hölle“) erzählt die Geschichte des „Jungen“, der nach einem dramatischen Unglück in einem Fischerort wieder zu sich kommt: Während vor der Küste ein großes Handelsschiff versinkt, widmet er sich voller Neugier den Romanen von Charles Dickens und wird bei erster Gelegenheit von der leidenschaftlichen Ragnheiđur verführt. Viel mehr beschäftigen ihn aber zwei rätselhafte Briefe der rothaarigen Álfheiđur – er macht sich mit dem Boot auf zu ihr, um herauszufinden, was sie ihm zu sagen hat.

Es geht also um die Liebe. Oder um die kurze Leidenschaft. Verfluchte Wahl! Dieses Buch ist geschrieben wie reine Poesie, mit Sätzen, die zuweilen in einem nachklingen wie Musik. Dann tauchen aber auch immer wieder Feststellungen auf wie diese: „Der menschliche Körper ist ein dummes Tier, das wir mit durchs Leben schleppen müssen wie eine schlechte Erinnerung.“ Witzig, OK. Oder: „Wenn Schnee der Schmerz der Engel ist, dann ist Schneeregen der Rotz des Teufels…“ Insgesamt ist es eine düstere und durch und durch deprimierende, für die meisten dort lebenden eine hoffnungslose Welt, die Stefánsson zeichnet; diese Lektüre fordert einem schon viel ab in Punkto Charakterstärke. Denn sonst könnte man durchaus selbst in die Verzweiflung abgleiten und womöglich zur Flasche greifen, wie einige seiner Protagonisten. Von denen viele sterben, andere dagegen fast wie lebende Tote wirken. Am Ende gibt es einen Hoffnungsschimmer, das schon, aber auch der ist melancholisch und bitter-süß wie das gesamte Buch, obwohl es auf seine schwere Art durchaus ein leidenschaftlicher Appell ist zu leben: Und sei die Bürde dieses Lebens auch noch so drückend. Was mir persönlich fehlt: Keine Spur von Helligkeit, Leichtigkeit, Fröhlichkeit. So empfand ich es als anstrengend zu lesen obwohl ich, wie gesagt, von der Sprache und dem Stil mitgerissen war.

„Jón Kalman Stefánsson ist ein wundervoller, außergewöhnlicher Autor. Immer wenn ich ihn lese, erinnere ich mich dran, was Schreiben – und die trügerisch leichte Angelegenheit des Lebens – wirklich bedeuten. Ein zeitloser Erzähler.“ Carsten Jensen

 

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