Ein extraherrliches Buch, unaufgeregt geschrieben und dennoch mitreißend. Schon das Setting ist ansprechend, eine idyllische dänische Insel, Schreibdomizil des Philosophen und öffentlichen Intellektuellen Steen Friis. Doch die Idylle trügt, wie so oft; als nicht nur seine eigene Frau, sondern auch ein befreundetes Paar für ein paar Tage zu Besuch auf die Insel kommen, gerät nicht nur seine Welt komplett aus den Fugen. Das eigentlich Pikante dabei: Stehen ist Bestseller-Autor von Bücher über das „Anständigsein“, er ist quasi der „Anstandsonkel“ der Nation, mit anderen Worten vermutlich auch ein ewiger Besserwisser, der mit sich selbst jedoch, wie sich hier herausstellt, alles andere als im Reinen ist. Aber es kommt noch dicker, denn plötzlich sieht Stehen sich mit ganz direkten und persönlichen Fragen nach Anstand und Schuld konfrontiert, mit denen er nicht mehr klarkommt. Alles beginnt damit, dass seine Frau ihn an ein altes Versprechen erinnert: sich gegenseitig auch in der Liebe die größte Freiheit zu lassen. Sie fühlt sich offenbar zum Inselbesucher Gero hingezogen, der, mit Freundin (und Steens Lektorin) samt eigenem Segelboot anreist, dann aber im Haus von Stehen wohnt. Überhaupt ist Gero, eher von der Zupackenden Art, so ganz anders als der vergeistigte Steen. Das alles nimmt seinen fatalen Lauf bis ein Unglück die ganze Sache dramatisiert und die Leben aller Beteiligten unwiederbringlich und nicht zum Besseren verändert…
Fazit: Charakterstudie vier unterschiedlicher Menschen, empathisch geschrieben, mehr als nur unterhaltend – mancher könnte sich die Frage stellen, wie er oder sie sich in einer ähnlichen Situation verhalten würde. Trotzdem, nicht zuletzt wegen der hübschen dänischen Insel, auch ein schönes Sommerbuch!