Geld oder Leben? Man kann auch entscheiden, sich nicht zu entscheiden. Das jedenfalls schrieb vor vielen Jahren die französische Journalistin Delphine Fleury über mich (im Magazin „Bateaux“): „Detlef a choisir de ne pas choisir“. Ein simpler, kleiner Satz der mich begeisterte und der es auf den Kopf traf. Ich war unterwegs auf meiner großen Reise, segelnd, aber ich hatte auch meine Arbeit mit an Bord. Ich war nicht, auch nicht vorübergehend, „ausgestiegen“, sondern hatte nur meine Lebens- und Arbeitsumstände angepasst (mehr dazu in meinem Buch „Land’s End“).
Umso gespannter war ich nun auf dieses neue Buch „Work Sail Balance“. Ein Paar, welches um die Welt segeln wollte. So weit, so langweilig, denn in dieser Kategorie gibt es ganze Regalmeter an Büchern, die meisten davon sind in etwa so inspirierend wie das Bürgerliche Gesetzbuch. Hier gab es aber einen interessanten Ansatz: Diese Leute wollten offenbar alles, Geld und Leben, Exotik und bürgerliches Dasein, den Kuchen essen und aufheben, und unterwegs haben sie dann auch noch auf unorthodoxe Art eine (glückliche) Familie gegründet. Das alles ist ihnen mehr oder weniger geglückt, und das ist schon toll! Nun gut, die Weltumsegelung vorerst nur bis zur Hälfte, in etwa, aber das spielt eigentlich überhaupt keine Rolle im Großen und Ganzen. Sie haben sich mit wenig bis keiner Erfahrung und einem ziemlichen Durchschnittsboot aufgemacht, sie haben gelitten und gelernt, gelebt und gelacht – bemerkenswert der Abenteurergeist, mit dem die beiden sich durchgebissen haben. Und sie haben ihre beruflichen Existenzen, ihre Familien, Freunde und was nicht alles zu einem gutbürgerlichen Dasein in Berlin dazugehört, nicht aufgegeben, sondern eben immer nur Etappenweise und vorübergehend verlassen. Ein paar Monate segeln, dann das Boot an sicherer Stelle parken und ein paar Monate Job und altes Leben: Das kann tatsächlich ein, wie diese beiden es letztendlich ja auch gezeigt haben, funktionierendes Modell für machen sein, der sein Leben vielleicht auch einmal zumindest zeitweise verändern möchte. Flexiblere Arbeitswelten und mobile Kommunikation machen es immer möglicher.
Gerne hätte ich noch mehr darüber erfahren, was diese Teilzeit-Abteuererei mit einem macht, dieser Wechsel zwischen Liveaboard und Landmensch. Aber vielleicht stellt sich da erst gar kein so großer Kontrast ein, vielleicht werden die Zeiten an Bord dann ja weniger als Umstellung des Lebensstils, denn als verlängerter Urlaub wahrgenommen? Nur andeutungsweise wird erwähnt, dass es sich auch auf das Leben an Land verändernd auswirkt, welches in seinem Luxus dann eben doch noch einmal ganz anders wahrgenommen wird: Der Kontrast zwischen, sagen wir, Tonga und Berlin-Mitte ist eben doch ein erheblicher, trotz einer angeblich immer „kleiner“ werdenden Welt. Eine spannende Frage wäre auch, wie sich das einpendeln könnte. Passt man das Landleben an, indem man auch hier mit weniger auskommt und einfacher lebt? Oder passt man das Seglerleben an, indem man hier nach immer größeren, komfortableren Yachten schielt, die möglichst viel des vertrauten, „landseitigen“ Komforts bieten?
Ein durchaus interessantes Buch also, bei dem ich zwar einige Seiten reiner Segelbeschreibung überblättert habe, das aber dennoch eine spannende Geschichte erzählt und so auch dazu anregt, über mögliche Veränderungen der eigenen Lebenssituation (so dies denn überhaupt gewollt ist) nachzudenken.