Auf Eilanden wie dieser, die kaum mehr sind als ein Sandhaufen mit spärlicher Vegetation und ein paar Seevögeln, wurden einst – sofern diese in den Tropen lagen – abgesetzte Piratenkapitäne von ihrer meuternden Mannschaft ausgesetzt um dort jämmerlich zugrunde zu gehen. So geplant auch für Captain Jack Sparrow, dokumentiert in „Pirates of the Caribbean”, auch wenn das mit dem Zugrundegehen dort nicht wie geplant geklappt hat. Und auf der kleinen Sandinsel Memmert, quasi direkt vor unserer Haustür im Ostfriesischen Wattenmeer, wird seit vielen Jahrzehnten Jahr für Jahr ein Inselvogt ausgesetzt. Jedoch nicht, um dort zugrunde zu gehen, im Gegenteil: Er soll dafür sorgen, dass es nicht nur ihm, sondern vor allem auch seinen vielen Mitbewohnern auf der Insel gut geht. Tausende von brütenden Seevögeln befinden sich Jahr für Jahr, Saison für Saison in seiner Obhut.
Der aktuelle Inselvogt, Enno Janssen, lebt seit 2003 jeweils von März bis November auf der Insel. Und darüber hat er dieses reizende Buch geschrieben, denn zu erzählen gibt es genug. Das mag zunächst überraschend sein, denn was soll hier schon groß passieren. Alleine schon die Beschreibungen seines Inselalltags und seiner Wahrnehmung der Natur sind schon lesenswert, aber als lesende lernen wir ja auch gleich so einiges über die Insel, ihre Entstehung und Geschichte.
Zum Beispiel, dass gegen Ende des 19. und zum Beginn des 20. Jahrhunderts Vogeljagden auf Memmert in Mode waren. Auch plünderten Eiersammler von den umliegenden, bewohnten Inseln die Nester der brütenden Vögel, die durch solche Aktivitäten natürlich fast ausgerottet wurden. 1906 konnte ein auf Juist lebender Lehrer zwischen Patronenhülsen nur noch die Kadaver erschossener Altvögel und deren verhungerter Jungen betrachten. Ein trauriges Bild!
1907 wurde Memmert dann zwar zur Vogelkolonie erklärt, doch bis diese tatsächlich wirkungsvoll geschützt wurde vergingen noch etliche Jahre. Literarisch berühmt wurde Memmert durch den Roman „Das Rätsel der Sandbank“, in dem die britischen Amateurspione Davies und Carruthers in einer besonders spannenden Szene herausfinden, dass die Deutschen dort eine Art Trainingslager für die geplante Invasion Großbritanniens errichtet haben.
Die heutige Zeit ist da, von gelegentlichen Zwischenfällen abgesehen, deutlich ruhiger. So hat Enno Janssen denn wohl auch genügend Muße gehabt, dieses Buch zu schreiben. In einem sehr lesbaren, unaufgeregten Plauderton schreibt er über „seine“ Insel, voller Liebe und Leidenschaft, die sich nach kurzer Zeit auf die lesenden überträgt.
Fazit: Sehr zu empfehlen, nicht nur für WattseglerInnen oder BesucherInnen der Ostfriesischen Inseln.