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Seekarten: Sowohl als auch

Papier oder digital, in Bezug auf Seekarten geht diese Diskussion immer weiter. Obwohl sie eigentlich komplett überflüssig ist

Navigation ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem ankommt. Und wie so vieles andere im Leben sollte man auch diese Kunst so einfach wie möglich halten. Dafür gibt es glücklicherweise sehr hilfreiche Instrumente, die uns Segelnden das Navigieren wirklich so simpel wie noch nie machen. Die Erfindung des GPS hat einst alles verändert, vorbei für immer sind die Zeiten des Koppelns mit Bauchgefühl und Gottvertrauen sowie der „Brötchentüten-Navigation“, und verschiedene Navigationsprogramme haben das Potenzial von GPS noch einmal konsequent ausgeschöpft. Doch bei alledem bleibt die praktische Navigation unterwegs eben doch mehr, als das bloße Abfahren eines Kurses oder einer Route auf dem Plotter. Letzteres hat, zumindest für mein Empfinden, immer auch etwas von Videospiel und trägt wenig bei zur Romantik eines Segeltörns, noch zur durchaus sinnvollen Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gegebenheiten der maritimen Umgebung, in der wir gerade unterwegs sind.

Den Überblick behalten

Die Versuchung ist groß, sich nur noch am Display des Plotters, Tablets oder gar Mobiltelefons zu orientieren. Dabei verliert man auf Dauer leider die wichtige Fähigkeit, die reale Umgebung im Kopf richtig einordnen zu können: Wie weit in etwa ist diese Tonne voraus noch entfernt? In welcher Richtung müsste der Leuchtturm auf der nächsten Huk in etwa peilen? Und so weiter – um sich mit einem Gefühl für Raum und Zeit zurechtfinden zu können.

Dafür sind gedruckte Papierseekarten eine unabdingbare Voraussetzung. Ab und an die digital angezeigte Position mit dem größeren Bild auf der Seekarte abzugleichen, hilft schon sehr dabei, die Dinge im Überblick zu behalten. Man könnte auch immer mal eine Position in die Seekarte eintragen, ganz wie in alten Zeiten, um einen Back-up zu haben für den zugegeben unwahrscheinlichen Fall des elektronischen Meltdowns. Oder um diese später in das Logbuch zu übertragen. Oder einfach aus Spaß an der Sache.

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Hafen von Amsterdam – auf Papier gut übersichtlich

GPS Ausfälle

Tatsächlich hat das GPS-Jamming im Bereich der östlichen Ostsee in diesem Jahr stark zugenommen. Der NDR berichtete: „Bis zu 20.000 Flüge sind nach Schätzungen von Experten allein seit Mitte Januar von den verstärkt seit Ende 2023 auftretenden Störungen der globalen Satellitennavigation im Ostseeraum betroffen gewesen. Ein Großteil davon dürfte auf den „Baltic Jammer” zurückzuführen sein. … Die Störungen betreffen ein Gebiet, das sich von Schweden über das Baltikum und Polen bis weit hinein in den Nordosten Deutschlands erstreckt – auch nach Mecklenburg-Vorpommern.“

GPS-Jamming ist ein technisch einfaches Verfahren, mit dem sich die relativ schwachen Signale der Navigationssatelliten stören oder blockieren lassen. Hinterhältiger ist das GPS-Spoofing, das solche GPS Signale imitiert und zu falschen Positionsangaben führt. Denn der Ausfall eines Plotters oder GPS-Empfängers durch Jamming ist wenigstens erkennbar. Beim Spoofing hingegen könnte man sich im schlimmsten Fall so lange von falschen Positionsangaben leiten lassen, bis sich die Yacht in einer gefährlichen Lage befindet. Allerdings ist dies technisch aufwändiger, und es ist kaum zu erwarten, dass es tatsächlich explizit dazu eingesetzt würde, um Yachten in Bedrängnis zu bringen.

Überhaupt ist es bisher in der Seefahrt auf der Ostsee kaum zu Störungen gekommen, außer bei zwei dänischen Schnellfähren der Mols-Linie, die zwischen Aarhus und Odden verkehren. Dies seien jedoch lokal isolierte Vorfälle gewesen, möglicherweise ausgelöst durch russische Kriegsschiffe oder Drohnen, die in der Nähe gesichtet wurden. Dennoch machen solche Vorfälle deutlich, wie anfällig GPS-Navigationssysteme tatsächlich sind.

Laut einem Sicherheits-Informationsbulletin der EASA (European Union Aviation Safety Agency) von November 2023 sind insbesondere die östliche Ostsee sowie das südliche und östliche Mittelmeer von den GPS-Störungen betroffen. Auf der Website gpsjam.org werden alle aktuellen GPS-Störmeldungen auswertet und auf einer Karte frei zugänglich dargestellt. Im Zweifel kann man hier jederzeit nachschauen, ob man sich womöglich einem betroffenen Gebiet bewegt und entsprechend vorsichtig navigieren sollte. In dem Fall lautet die Empfehlung also: Zwischendurch immer mal die Position auf der Papierseekarte eintragen, mal eine Peilung nehmen oder sich an Landmarken orientieren. Letztendlich macht das ja auch noch Spaß.

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Cockpitnavigation, auf Papier und digital…

Planen auf Papier

Um einen „Passage Plan“ zu erstellen (siehe dazu unseren Artikel hier), sind ebenfalls beide Navigationsmedien wichtig. Auf der Papierkarte haben wir einen guten Überblick über die geplante Strecke, doch in den meisten elektronischen Karten zusätzlich wichtige Informationen zum Beispiel über Gezeitenhöhen und Strömungen, die wir ansonsten natürlich auch auf altmodische Art den gedruckten Werken wie etwa dem Reeds Almanach (dann aber eher mühsam) entnehmen können. Und um überhaupt mal einen Törn oder die kommenden Tage einer Reise in gemütlicher Runde gemeinsam mit allen Mitsegelnden zu planen, geht sowieso nichts über gedruckte Seekarten und Übersegler.

Warum aber verkünden dann immer wieder einzelne hydrographische Dienste, dass sie die Herstellung gedruckter Seekarten einstellen oder zumindest signifikant reduzieren wollen? Wo es doch, wenigstens in Deutschland, sogar eine gesetzliche Pflicht zum Mitführen eben solcher Karten gibt? „In Deutschland wird die sichere Navigation von Schiffen unter anderem durch §13 der Schiffssicherheitsverordnung geregelt. Aus dieser Vorschrift geht hervor, dass auf Schiffen verschiedene Dokumente mitgeführt werden müssen. Darunter Schiffstagebücher und aktuelle Papierseekarten“, sagt zum Beispiel Jeppe Scheidt von der NV Charts Group ganz deutlich. Allerdings fügt er auch hinzu, dass viele Ämter solche, oft bereits verkündete Schritte, nun doch lieber in die Zukunft verschieben – eben aus den Bedenken für die Sicherheit der Schifffahrt heraus, dass dann zumindest in bestimmten Regionen nicht mehr genügend gedruckte Karten zur Verfügung stehen könnten. Die populären Segelreviere hingegen sind ja durch etliche private Seekartenanbieter derzeit schon gut abgedeckt.

Fast alle privaten Seekartenverlage bietet beide Formate an, digital und gedruckt. Das macht Sinn, wo sich doch beide in der Praxis so gut ergänzen. Konsequent umgesetzt ist dies etwa bei den NV-Karten, wo man beim Kauf der Papierkarten gleich einen Code für die dazugehörige digitale Version mitbekommt und auch ein Verlagseigenes Navigationsprogramm laden kann. Das ist schon sehr praktisch und macht die ganze Sache sehr einfach für die Kunden. Ein anderes Modell wird in England mit dem Programm „AngelNav“ angeboten (mehr dazu demnächst an dieser Stelle). Dies kann man kostenlos aus dem Netz herunterladen und dann, für wenig Geld, digitale Seekarten verschiedener Hersteller dazu kaufen, etwa von Imray, britische Admiralty Karten oder die französischen SHOM Karten. Am besten dann jedoch auch, siehe oben, gleich die Papierversionen mit dazu.

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Glücklicherweise gibt es noch optische Navigationsmarken!

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4 Antworten

  1. Kleine Ergänzung aus der Praxis: ich war vor wenigen Wochen in Galizien unterwegs. Grundlage meiner Navigation sind die Karten des NV-Verlags nebst Smartphone App NV Charts. Dabei ich mir folgendes aufgefallen: Eine unmarkierte Untiefe in Ufernähe in der Ria de Pontevedra war auf der Papierseekarte klar erkennbar. In miner App hatte ich die Einstellung jedoch auf offline-Karten eingestellt. Leider fehlte auf dem Bildschirm jeglicher Hinweis auf die Untiefe. Erst, nachdem ich auf „online“-Karte umgestellt hatte, erhielt ich ein Bild, welches der Papierdarstellung entsprach.

    Es mag sich um einen Bedienungsfehler meinerseits gehandelt haben. Dennoch wäre es hilfreich darauf hinzuweisen, dass die Kartendarstellung im offline-Kartenmodus abweicht.

    Es handelte sich übrigens um zwei sichtbare (möglicherwiese noch weitere überspülte) Felsen, die bei halber Tide etwa 10 cm aus dem Wasser ragten.

    1. Danke für den Hinweis! Die digitalen Karten sind teils Raster-, teils Vektorkarten. Bei letzteren fehlen dann oft Details, wenn man nicht hinein zoomt. Aber wie schon gesagt, ein guter und wichtiger Hinweis aus der Praxis. Ich bin übrgens gerade in der Bretagne unterwegs und bisher klappte alles ganz gut mit der Kombi aus Papier und digital…

      1. Noch ein Nachtrag zum Zoom: Das ist natürlich das erste, was ich versucht habe: reinzoomen. Das Bild wurde aber nicht aussagekräftiger. Ich möchte auch nicht ausschließen, dass ich mich mit der Elektronik dumm angestellt habe. Man muss sich aber des Risikos bewusst sein.

        Ich werde ohne Papierkarte im Cockpit weder in France Atlantique noch in Nordspanien einen Ankerplatz oder Hafen verlassen. Womit navigierst Du in der Bretagne? SHOM oder NV-Verlag?

        Gruß
        Norman

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