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Motor oder nicht: Wie frei können wir sein?

Der Wind war schwach und launisch, und es war eine langsame Überfahrt. Wir brauchten insgesamt zwei Tage und zwei Nächte, um ohne Motor die etwa 150 Meilen von Royan nach Belle Ile zu segeln und zu treiben. Nach einer unterhaltsamen Nacht, in der wir versuchten, entlang der Ostküste von Belle Ile gegen den Strom anzukommen, sah uns die aufgehende Sonne wie einen alten Hut auf dem Mühlenteich treiben, in Sichtweite der Hafeneinfahrt von Le Palais, die Segel schlaff und nutzlos von der Takelage baumelnd. Der Morgen wurde strahlend hell und heiß, während die Sonne immer höher stieg, und kein einziger Windhauch war von irgendwoher zu erwarten. Ja, wir beglückwünschten uns, dass wir wenigstens so weit gekommen waren. Aber schon bald träumten wir auch von dem Duft frischer Baguettes und Croissants. So nah am Hafen zu verenden, war dann doch frustrierend. Wir versuchten, unser 7,5 Tonnen schweres Boot zu paddeln, und dachten sogar darüber nach, es mit unserem winzigen Beiboot zu schleppen, das allerdings durch Rudern und nicht von einem Außenborder angetrieben wird.

Am Ende war es ein freundlicher französischer Fischer, der uns in den Hafen schleppte. Unser Motor war vor einigen Tagen in Royan verstorben, und  nun baten wir den Inselmechaniker, einen Blick auf das Ungetüm zu werfen. Schon bald stellte er Wasser in den Zylindern fest und sprach die furchtbaren Worte: „Your engine ees werry ill!“

Was nun? Weiter segeln mit einem nutzlosen Klumpen öligen Metalls unter dem Niedergang oder sich auf das andere Abenteuer einlassen: eine große und wahrscheinlich sehr kostspielige Reparatur? Über die Vor- und

Nachteile des Segelns mit oder ohne Motor wurde schon viel geschrieben, auch in dieser Kolumne. Wir hatten die freie Wahl. Wir waren schon so weit gesegelt (na ja, die letzte Meile in den Hafen nicht mitgezählt, aber so kurz vor dem Ziel fällt es schwer, über Flauten zu philosophieren!) und hatten schon früher Boote ohne Motor gesegelt und waren zuversichtlich, dass wir auch allein unter Segel zurechtkommen würden. Oder etwa nicht? Ein böser Zweifel bahnte sich seinen Weg in unsere Gedanken. Ballast von einer Art geistigem Gepäck, das schon vor langer Zeit an der Gepäckaufbewahrung deponiert wurde und nun sein hässliches Haupt erhob: Auf unserem beabsichtigten Weg nach Norden mussten wir einige berüchtigte Gezeitentore passieren und verschiedene stark befahrene Schifffahrtswege durchqueren. Wäre es nicht vernünftiger, für diese Passage einen zuverlässig funktionierenden Motor zu haben?

Wir entschieden uns für die Reparatur und bereuten es später, als uns dämmerte, dass wir den Moment der Freiheit verpasst h…

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