Wohnen auf dem Wasser: Tolle Sache, das. Man lebt viel mehr in der Natur, man ist auf dem Wasser, da fühlt es sich per se schon einmal lebendiger und leichter an, als auf festem Boden. Man glaubt fast, zu schweben, immer schwankt es leicht, auch das Licht ist, vom Wasser reflektiert, ein anderes als an Land. Man lebt außerdem bewusster und unabhängiger, oft auch autark von Stromversorgern, meist also auch nachhaltiger. Kurz: Vieles spricht dafür.
Das dachte sich auch eine Familie in Berlin, beziehungsweise erst dachte es der Vater, der schon immer gerne aufs Wasser wollte, er überzeugte dann seine Frau, die Kinder hatten keine Wahl, als mitzukommen – und genossen es. Uta Eisenhardt, die Bordfrau, ist Journalistin und hat aus diesem Abenteuer „auf das Wasser ziehen“ ein Buch gemacht.
Tatsächlich scheint es so, als sei diese wunderschöne Art des Wohnens nun auch bei uns angekommen, und als sei sie ist mittlerweile sogar „Salonfähig“ geworden. Städte besinnen sich hier und da auf ihre oft brachliegenden Wasserflächen und weisen diese als Bewohnbar aus (wenn auch nur sehr zögerlich und noch viel zu selten) und seit Beginn diesen Jahres darf man seinen Wohnsitz ganz offiziell an Bord eines Schiffes anmelden. Das ist zwar eigentlich nur eine Formalie, aber sie belegt den Trend. So, wie auch die Worte des NRW-Ministers für „Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr“, Michael Groschek, anlässlich der feierlichen Eröffnung der größten Wassersportmesse, „boot 2016“: Auch er lobte ausdrücklich den Trend zum Wohnen auf dem Wasser als durchaus zukunftsweisend.
Welch ein wunderbarer Wandel. Eben noch wurden Schiffs- und Bootsbewohner eher als verlotterte Freaks betrachtet, heute sind sie vielleicht schon Vorreiter eines ganzen Trends. Aber natürlich gibt es Unterschiede. Ein ganz grundlegender ist der zwischen Wohnschiffen und Hausbooten. Erstere sind völlig See- und fahrtüchtige, autarke Schiffe, auf denen man aber auch dauerhaft wohnen kann. Letztere dagegen sind meist Pontons aus Stahl oder Beton, auf die dann mehr oder weniger schöne, mehr oder weniger futuristische Häuser gebaut werden. Die kann man zwar sehr gut bewohnen, allerdings sind sie nicht oder nur sehr eingeschränkt mobil. Oft haben sie keinen eigenen Antrieb und hängen mit verschiedenen Ver- und Entsorgungsleitungen an Land fest. Dabei gibt es die Technik, die es auch Wohnschiffen erlaubt, einerseits mobil und autark zu sein, andererseits aber auch den heutigen Wohnkomfort an Bord zu haben, inklusive Zentralheizung, Badewanne, Geschirrspüler, Waschmaschine, und sogar einem bordeigenen Klärwerk.
Oft wird der Begriff „Hausboot“ auch noch ganz anders verwendet, nämlich für Motorboote, die auf Binnengewässern als schwimmende und fahrende Ferienunterkünfte verchartert werden. Das trägt nicht zur Übersichtlichkeit der Diskussion bei, ist dies doch wieder eine ganz andere Art von Boot und Zweck.
Zurück zum vorliegenden Buch „Vier Zimmer Küche Boot“. Hier geht es um ein Hausboot der dauerhaft bewohnten, aber auch eher immobilen Art, seinen Liegeplatz kann das Boot nur mithilfe eines Schlepp- beziehungsweise Schubfahrzeugs wechseln, sofern es nicht nur von Hand eben ein paar Meter am Ufer entlang verholt wird. Und obwohl das Boot also nicht eigenständig fahren kann, musste es im Laufe der Zeit doch öfter mal seinen Liegeplatz wechseln, wie wir in dem Buch erfahren. Das ist sehr unterhaltsam und lesbar geschrieben (Journalistin, halt) und mit vielen Fotos auch gut illustriert.
Vor allem ist es ehrlich und nur wenig romantisierend. Ohne Scheu erzählt die Autorin von ihren Erfahrungen beim Umbau des Schiffes, den schönen, aber eben auch den weniger schönen Seiten des Wohnens auf dem Wasser (obwohl es davon kaum welche gibt). Sie bringt das Alltagsgefühl gut rüber, sie beschreibt aber eben auch die Mühen, die es kostet, solch einen Umzug aufs Wasser tatsächlich zu machen. Vor allem aber beschreibt sie auch die Steine, die ihnen (und vielen anderen) Wasserbewohnern von Seiten der verschiedenen Behörden in den Weg gelegt werden, von den daraus resultierenden Frustrationen, dem Gefühl des Ausgeliefert-seins und auch davon, wie man trotz vollmundiger Versprechen am Ende dann eben auch von der Politik im Stich gelassen wird. Schön, dass auch dieses Buch am Ende trotzdem positiv ist, dass es Mut macht und Lust dazu, vielleicht solch ein Wohnen einmal selbst anzugehen…
Muss man aber nicht. Das Buch liest sich auch gut für diejenigen, die sich zwar zum Wasser hingezogen fühlen, die aber vielleicht noch gar nicht selber ihren festen Boden verlassen möchten. Für alle anderen, die das doch schon vorhaben, bietet es Inspiration und Motivation und auch viele praktische Hinweise, von denen natürlich nicht alle allgemeingültig sein können. Letztendlich muss ja doch jeder seine eigenen Antworten und Lösungen finden, hier jedoch gibt es die hilfreichen Hinweise und Denkanstöße dazu.