Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische

»Sicher ist, dass ich im Leben ein paar grundlegende Dinge nie begriffen habe, und ich weiß nicht einmal, welche.« Der erste Satz von Sten Nadolnys „Weitlings Sommerfrische“ ist gleich von Sokrates und niemand geringerem entliehen: „Alles, was ich weiß, ist, dass ich nichts weiß.“ Ein köstlicher philosophischer Einstieg in diesen ungewöhnlichen und sehr lesenswerten Familienroman mit, klar, stark philosophischen Einschlag.

Alles ist eine Reise, Segeln, das Leben und so weiter. Schön und faszinierend ist es, wenn man eine Zeitreise zurück in die eigene Jugend wagt. Selbst dann, wenn es da nur so durchschnittlich viel zu erleben gibt. Immerhin hatte der Held dieses Romans, der pensionierte Richter Weitling, wohl eine insgesamt gute Jugend am Chiemsee in durchaus bürgerlichen Verhältnissen einer doch auch künstlerischen und intellektuellen Familie. Beobachtungen und Zwischentöne aus einem besonderen Abschnitt dieser Jugend sind es, aus denen der Autor  diese ganz besondere Atmosphäre des Buches webt. Und diese Sehnsucht hat doch jeder von uns: An dem einen oder anderen Punkt im eigenen Leben noch einmal anfangen, an der einen oder anderen Weggabelung die andere Richtung einschlagen – aber das, so muss es auch Weitling erkennen, geht nicht, denn das würde alles weitere ändern. Selbst das kleinste Detail, es ändert alles, alles, was in einem langen Leben noch kommt. Weitling aber bleibt in seiner Geschichte und so erlebt er seine Jugend, oder eben diesen Ausschnitt daraus, als nicht eingreifender Beobachter. Was wiederum wieder ganz bestimmte Emotionen und auch eine gewisse Hilflosigkeit, die ja auch vor allem philosophisch zu ertragen ist, auslöst. Und doch hat auch diese Kopfabenteuer durchaus praktische Auswirkungen auf seinen späteren Lebenslauf. Ein wunderbarer, leise ironischer Roman, in stillen Momenten besonders gut zu lesen.

Das schreibt der Verlag:

In einem Sommergewitter kentert das Segelboot des angesehenen Berliner Richters Wilhelm Weitling. Er kommt nur knapp mit dem Leben davon, muss aber feststellen, dass ihn sein Unfall fünfzig Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen hat. Neugierig, aber auch mit sanfter Kritik begleitet er den Jungen, der er einmal war, durch die Tage nach dem Sturm. Wer ist er damals gewesen? Und wie konnte aus diesem Menschen der werden, der er heute ist? Muss er die Erinnerung an seine Eltern, seine erste Liebe, seine Berufswahl, sein ganzes Leben revidieren? Und wird er zu seiner Frau und in sein altes Leben zurückkehren dürfen? Sten Nadolny entführt uns auf eine philosophische Zeitreise, die seinen scharf beobachtenden Helden zu unverhofften Erkenntnissen führt.

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