Portocolom im Südosten Mallorcas ist einer der schönsten Naturhäfen der Insel – und hat sich samt seinem Fischerdorf seine Ursprünglichkeit bewahrt. Titelbild: edu-cabalin-manresa, Unsplash
Juan Cifre ist ein Meister seiner Zunft, einer der letzten seines Standes. Der Schiffszimmerer darf deshalb den uralten malloquinischen Ehrentitel »Mestre d’aixa« führen, Meister der Axt. Tatsächlich benutzt der Mann mit den dichten braunen Haaren und der Intellektuellen-Brille beim Schiffsbau aber nicht nur die Hacke, sondern natürlich auch moderne Werkzeuge. Doch das was er in seiner kleinen Werft in der Carrer Mar Nummer 70 in Portocolom herstellt, sind jene traditionellen hölzernen Fischerboote, die »llautes mallqorquines«, gefertigt aus langlebigem afrikanischem Iroko-Holz oder mallorquinischer Pinie, die einst so typisch waren für die Insel – und die in der ursprünglichen Form stets einen Mast besaßen und zum segeln ausgelegt waren.
Die Fischerboote, die in Portocolom vor den alten »varaderos«, einer Art traditionellen Schiffsgaragen mit bunt gestrichener Tür, rund ums Hafenbecken liegen, sind heute nur noch selten mit Segeln bestückt. Dafür teilen sie sich den vielleicht schönsten, aber ganz sicher größten Naturhafen Mallorcas im Sommer mit unzähligen modernen Segelbooten, die natürlich anders als die »Llautes« nur sehr selten aus Holz sind. Der alte, aber noch immer bedeutendste Fischerhafen der Insel war früher der Verkehrsknotenpunkt für den lokalen Handel mit Fisch und Wein. Heute liegen hier moderne Yachten dicht an dicht an den Stegen vor der Hafenpromenade, im Hochsommer ankern auch viele in der Bucht, bis auf die andere Seite, wo jenseits der Steganlagen Palmen, Pinien und Agaven die Ufer säumen. Doch wie überall in den Balearen soll auch hier das freie Ankern eingeschränkt werden, statt dessen sollen in dieser Saison kostenlose Mooringbojen und Schwimmstege im Naturhafen verankert werden.
Ab April kommen die Charter-Gäste, die für eine runde Woche meist den Südosten Mallorcas erkunden wollen. Die Yacht im relativ ruhigen und kleinen Hafen zu übernehmen statt in der belebten Bucht von Palma hat viele Vorteile: Portocolom ist der ideale Ausgangspunkt, um die malerische Ostküste mit ihren Calas, den faszinierenden kleinen Badebuchten, zu erkunden oder bis zum Cabrera-Archipel zu segeln. Und es ist von hier aus ein nur kurzer Weg (zwei Tagestörns) bis zur Nachbarinsel Menorca, das daher von Portocolom aus auch in einem einwöchigen Chartertörn angesteuert werden kann. Der geschützte Hafen liegt vor einer bergigen Küstenlandschaft, ist von vielen Traumbuchten umgeben und ideal für Tagestörns, er ist aber auch eine angenehme Ankerbucht für jene, die rund Mallorca segeln und ein paar Tage für diesen Teil der Insel einplanen – auf dem Seeweg sind es von Port de Palma etwa 50 Seemeilen nach Portocolom. Jürgen Grucza von Veritas Yachting bringt es auf den Punkt: »Hier ist alles überschaubar, die Wege sind kurz, der Hafen geschützt und familiär. Die Kneipen und Restaurants sind alle in direkter Hafennähe, darunter auch sehr gute Adressen. Einkaufen kann man auch in der Nähe vom Hafen, fußläufig, einfach und stressfrei. Und es ist ruhig! Dazu der tolle Naturhafen, der Spaß fängt hier am ersten Tag an – einchecken an Bord und schon kann man vom Schiff ins Wasser springen oder mit dem Dinghi zum Strand fahren!« Oder einen Dingiausflug zur felsigen, zerklüfteten Küste rund um den Leuchtturm auf der Punta de ses Crestes (Punta de la Farola) starten. Auf der Ostseite der Bucht befindet sich auch ein kleiner Sandstrand mit einer sehr einladenden Strandbar.
Wer durch das Dorf schlendert, vorbei an Fischerbooten, Netzen, Bootsgaragen und Hafentavernen, der kann sich auch heute noch gut vorstellen, wie sehr die Lebensweise der Einwohner seit Jahrhunderten mit dem Meer verbunden ist. Am Rande von Portocoloms malerischer Altstadt, dem »Pueblo«, liegen die Fischerhäuser am Wasser: Händler und Handwerker und die Kirche wohnten traditionell eher im Ortsinneren. Heute sieht man an den alten Häuschen immer öfter kleine Hinweisschilder, auf denen »zu verkaufen« steht; fast immer preisen große und renommierte Agenturen auch aus Deutschland diese Immobilien in einem der am besten erhaltenen Altstadtkerne Mallorcas zu fast unanständig hohen Preisen an. Doch solche Häuser sind eben wirkliche Schätze – wie der ganze Ort: Bis heute wirkt er ursprünglich und gemütlich, mit seinen Häusern in strahlendem weiß oder gelb mit grünen Fensterläden. Dazwischen liegen kleine Innenhöfe und Gärten, in denen Zitronenbäume wachsen und Bougainvilleen. Ruhig und friedlich ist es, nur im Hochsommer ziehen auch mal mehr Touristen durchs Dorf – zur Freude der Restaurantbetreiber, die sonst meist von den Yachties und den »Residenten«, den ausgewanderten Festlandseuropäern, leben.
Insgesamt aber hat sich Portocolom den typischen Charakter eines alten Fischerdorfes erhalten und es lässt ahnen, wie Mallorca vor vielen Jahren einmal ausgesehen hat. Gleich in der nächsten Bucht, im südlichsten Ortsteil Portocoloms, rund um die Cala Marcal, gibt es sie aber doch – Hotels und Ferien-Apartments. Aber sie wachsen hier nicht in den Himmel, sondern bleiben mit drei oder vier Stockwerken meist erfreulich unaufdringlich. Die Bucht besitzt einen schönen und breiten Sandstrand mit türkisfarbenem Wasser, der perfekt zum Baden und Sonnen ist. Zwei kleinere Sandstrände gibt es auch im nordwestlichen Teil der Bucht und die Felsen in der Nähe der Hafeneinfahrt eignen sich zum Schnorcheln. Wer gerne schnorchelt, kann auch die etwa anderthalb Seemeilen südwestlich gelegene, fjordähnliche Bucht Cala sa Nau ansteuern – ihr Sandstrand ist zudem selten überlaufen. Wer bei Ostwind kommt, muss allerdings schon mal mit stärkerem Schwell rechnen. Wind und Meer haben die zerklüftete Felsküste geformt, lange Felsnasen trennen die kleinen Buchten wie Halbinseln voneinander. Dass diese, wie die Cala Brafi, nur von der Seeseite oder zu Fuß erreichbar sind, nutzen manche dazu, sich auch mal hüllenlos zu sonnen der in die Fluten zu stürzen.
Wer zwischendurch genug hat vom Wasser, der sollte unbedingt einen Mietwagen nehmen und ins rund zehn Kilometer entfernte Städtchen Felantix fahren, dessen Wochenmarkt am Sonntag eine echte Attraktion in der Region ist. Viele Bauern verkaufen hier ihre hausgemachten Käse, ihre Kräuter, Honig, Schinken. Das Obst sieht aus, als sei habe man es einfach durch die engen Maschen der EU-Normierung geschmuggelt – und es duftet einfach herrlich. Dramatisch ist die Burg von Santueri, ein paar Kilometer südlich von Felanitx hoch oben auf schroffen Felsen gelegen (Auskünfte über Öffnungszeiten und Verkehrsverbindungen bei der Tourismusauskunft in Portocolom). Schon die Fahrt dorthin lohnt sich wegen der beeindruckenden Landschaft ringsum. Das Castell de Santueri war fast uneinnehmbar, arabische Soldaten hielten hier ein ganzes Jahr lang gegen die Truppen der christlichen Reconquista aus. Versorgt wurden sie angeblich durch einen unterirdischen Gang, der jedoch niemals gefunden wurde. Später diente die Burg vor allem als Festung zum Schutz gegen nordafrikanische Piraten. Die prachtvoll verzierte Kirche, die heute dort steht, stammt aus dem 18. Jahrhundert. Doch die wenigsten kommen zum Kirchenbesuch, alle genießen den fantastischen Panoramablick: Ist die Luft klar, kann man die gesamte Insel Mallorca überblicken. Auch die rund zwanzig Seemeilen südlich gelegene Inselgruppe Cabrera ist von hier oben zu erkennen und die Südküste der Nachbarinsel Menorca, die etwa doppelt so weit entfernt ist.
Viele der Segler, die ihren Törn in Portocolom starten, wollen auch den maritimen Nationalpark Cabrera erkunden. Es ist der erste seiner Art in Spanien, ein maritimes Naturreservat, das man nur nach Voranmeldung ansteuern darf (Informationen beim Vercharterer). Einst war die Hauptinsel ein Piratennest, später diente sie eine Zeitlang als Gefangenenlager. Heute ist der Zugang, wie gesagt, reguliert – es dürfen pro Tag nur 50 Boote in den Hafen von Cabrera fahren. Es gibt auch genau 50 farbige Mooring-Bojen zum festmachen, jede Farbe ist einer anderen Bootsgröße zugeordnet. Im Hochsommer darf man nur eine Nacht bleiben, danach tut man gut daran, sich wieder nach Portocolom aufzumachen, wo Hafenmeister Pedro Fernandez fast immer noch einen Platz anbieten kann.
Zugegeben, ein Platz am Bootssteg ist dann kaum zu haben. Denn die Plätze dort sind natürlich heiß begehrt, vor allem in der Nähe der Hafenmeisterei, wo es auch Duschen gibt und eine Straße weiter ein paar Geschäfte und – man weiß ja nie – einen deutschen Zahnarzt. In der Hafenmeisterei hat der diensthabende Pedro Fernandez ein grünes Fahrrad direkt neben seinem Schreibtisch geparkt – damit kommt er im Hafen blitzschnell überall durch. Über dem Hafenamt thront ein cooles und exklusives Restaurant, das der Augsburger Joachim Weber mit seinem spanischen Kollegen Gustavo Nuno Garcia führt. »Wir haben viele Gäste, die mit der Yacht kommen«, erzählt Weber. »Neulich hatten wir Hamburger Segler da, die hatten gleich mehrere Yachten gechartert und sind mit der ganzen Firma segeln gegangen. Für die haben wir dann abends gekocht – und ausnahmsweise morgens auch fürs Frühstück geöffnet.« Drei Charteragenturen haben ihre Büros knapp zweihundert Meter weiter oben an der Hafenpromenade, am Carerrer Pescadores, einträchtig nebeneinander in einem Haus. Ein paar Türen weiter hat sich der bescheidene »Club nautico« eingerichtet – und die Bar Club Nautico noch ein paar Türen weiter ist so etwas wie die Kantine. Immer gibt’s ein günstiges »Plato del dia«, ein Tagesmenü, bei dem ein Glas Wein und der Kaffee schon im Preis inbegriffen sind. Hier trifft man alle – die Segler, die Charterer, ein paar Fischer und natürlich auch Handwerker wie den »Meister der Axt«. Im Sommer lassen sie den Platz meist für die Touristen, aber sonst gehört die Bar wie das ganze Pueblo von Puertocolom vor allem denen, die hier wohnen – und das ist auf Mallorca etwas ganz Besonderes.
Hier geht es zu den Balearen-Büchern
Balearen: islasbaleares.es
Mallorca: infomallorca.net
Portocolom: portocolom.info
Ansteuerung
Die Ansteuerung ist problemlos, eine sehr gute Landmarke ist der schwarz-weiß gestreifte Leuchtturm auf der westlichen Einfahrtshuk, Punta de ses Crestes. Die Einfahrt in die Bucht ist gleichmäßig tief, innen führen rote und grüne Tonnen zur kommunalen Pier und, dahinter liegend, zum Hafen des Real Club Nautico. Außerhalb der Tonnen wird es flach, vor allem in der großen Einbuchtung hinter der Einfahrt an Backbord und im nördlichen Teil der Bucht. Vor allem an der Pier beim Club Nautico muss man sich dicht am Steg und innerhalb der kleinen Tonnen halten, dahinter wird es sofort extrem flach. Man kann in verschiedenen Stellen in der Bucht ankern oder eine der Mooringtonnen aufnehmen. An der kurzen, kommunalen Handelspier kann man kurzzeitig festmachen, um Wasser oder Treibstoff (Tankstelle auf der Pier) zu bunkern. Festmachen kann man ansonsten an den kommunalen Stegen dahinter oder aber beim Real Club Nautico etwas weiter innen. Festmachen in beiden Fällen mit Mooringleinen, der Club Nautico ist teurer als die kommunalen Stege und hat dafür die besseren Duschen an Land. Real Club Nautico de Porto Colom: 250 Plätze bis maximal 15 Meter Länge. Telefon 971-824658, UKW Kanal 09, Kommunaler Hafen: Telefon 971-824683, port.portocolom@porstib.es
Häfen in der Nähe
Ganz gleich, in welche Richtung man startet – immer befinden sich mehrere sehr reizvolle Häfen in Reichweite eines entspannten (Halb)Tagestörns: Im Süden zum Beispiel Cala Figuera, der vielleicht schönste und schmalste Fischerhafen Mallorcas, gelegen an einem engen und romantischen Fjord, oder auch Porto Petro. Der Hafen von Porto Petro ist Teil eines verzweigten und sehr hübschen Naturhafens. Die dazugehörige Ortschaft ist zwar sehr vom Tourismus geprägt, aber dennoch ganz entspannt und malerisch. Nach Norden segelnd, könnte man zuerst das nur wenige Seemeilen entfernte Porto Cristo anlaufen, eine erfrischend unprätentiöse Stadt an einem gewundenen Naturhafen, wo der Rio Cap d’Estoy in die Bucht Cala Mancor und dann ins Meer mündet. Der Ort wirkt nicht so extrem touristisch wie andere Städte, punktet dennoch mit vielen Geschäften, Bars und Restaurants und einer sehr schönen Promenade, die, an die Felsen geschmiegt, an der Bucht entlangführt. In der Bucht gibt es auch einen kleinen Badestrand. Bekannt ist der Ort auch für die spektakulären Höhlen Coves del Drac und Coves del Hams. Porto Cristo war schon zu Zeiten der Römer der Hafen der Stadt Manacor.
Fiestas
In der zweiten Julihälfte findet in Portocolom eine »Fiesta Gastronomica« statt, die »Sardinada«, die wie der Name schon sagt, rund um das Thema Fisch kreist. Am 28. August feiert das Dorf eine große »Carmen-Fiesta« mit bunten Prozessionen.
Restaurants – Bars
Direkt an der Hafenpromenade befinden sich einige Restaurants und Bars: Die Bar Club Nautico, C/. Pescadores 31, serviert das Tagesmenü Plato del Dia für 9,95 Euro. Hasso Schönings Steakhaus und Tapas-Bar Por qué No, C/. Pescadores, Telefon 971 82 40 07 ist ein netter Treff, durchgehend geöffnet von 11 bis 23 Uhr, Mittwochs geschlossen – dies ist auch das Lieblingslokal von Jürgen Grucza (»tolle Steaks, sehr gute Tapas«). Joachim Webers Fischrestaurant Sa LLotja über der Hafenmeisterei (Edificio Portuario), ist exklusiv und ausgezeichnet, Menü ab ca. 30 Euro inklusive Wasser, Glas Wein und Kaffee, Reservierung empfohlen: Telefon 971 82 51 65, restaurantssallotjaportocolom.com. Kleinigkeiten essen und etwas trinken kann man auch gut in der Bar d’es Moll, wo es Internetzugang gibt. Als eines der angesagtesten Restaurants nicht nur der Gegend, sondern der ganzen Insel gilt das Colon. Küchenchef Dieter Sögner kommt aus Österreich und ist nicht nur für seine wirklich ganz hervorragende Küche, sondern offenbar auch als Persönlichkeit bekannt. Calle Cristobal Colon 7, Telefon 971-824783, www.restaurante-colon.com.
Sehenswertes – Ausflugsziele in der Nähe
Jumaica Bananera, zwischen Porto Cristo und Porto Colom gelegene Bananenplantage mit botanischem Garten. Coves del Drac, sehenswerte Tropfsteinhöhle in der Nähe von Porto Cristo. Coves dels Hams, weitere interessante Tropfsteinhöhle in der Nähe von Porto Cristo. Ortskern von Felanitx mit Markt. Puig Sant Salvador, 510 Meter über dem Meer, mit Kloster Santuario de Sant Salvador und das nahe Castell de Santueri, eine alte Burgruine in der Nähe von Felanitx mit schönem Ausblick über die Südwesteküste. Segeln ins Cabrera-Archipel: Unbedingt vorher beim Nationpark-Info anrufen und anmelden unter Telefon 971 72 50 10.