Chris Bowman: Tradewinds

Wer die Karibik mag, wird dieses Buch lieben. Wem die Karibik heute zu voll, zu laut und zu stressig ist, sollte es erst recht lesen. Denn hier wird die leider vergangene Welt der Inseln unter und über dem Winde lebendig, als hier noch die Inselschoner unter Segel ihre Fracht – und Kontrabande – von Insel zu Insel segelten. Als diese stolzen Schiffe noch am Strand, aus Holz, von Hand und ohne Pläne gebaut wurden. Als die Menschen auf den Inseln noch in ihrem eigenen Rhythmus, in ihrer eigenen Zeit lebten. Hier ist die Geschichte. Die Karibik der 1940er Jahre. In Europa, anscheinend weit weg, tobt der schreckliche Krieg. Was niemand für möglich gehalten hätte, bis es denn tatsächlich passierte: Bald kommt der Krieg selbst hierher, zu den friedlichen Inseln im Passat. Guadeloupe, Martinique: Französische Inseln, formal regiert von der deutsch-freundlichen Marionettenregierung des Vichy-Frankreich. Daneben englische Inseln, niederländische – die politische Lage ist, sagen wir, unübersichtlich. Agenten und zwielichtige Opportunisten tummeln sich. Die Engländer und ihre Verbündeten sind dringend auf das Öl angewiesen, welches sie aus Trinidad und den ABC-Inseln beziehen. Das wissen auch die Deutschen und so schicken sie ihre U-Boote in die Karibik, um die Tanker und Versorger der Allierten auch hier zu versenken. Ganz gegen seinen Willen wird Jack McLeod in die Feindseligkeiten hinein gezogen. Er hat bereits im Ersten Weltkrieg gekämpft, wurde dort verwundet und hat die Nase gestrichen voll von diesem Wahnsinn, doch auch hier kann er sich nicht entziehen. Jack lebt mit seiner Familie bis dahin friedlich auf der – fiktiven – Insel Petit Silhouette, nicht weit von den Grenadines. Er segelt einen der besagten Inselschoner und kennt die Gegend wir kaum ein anderer – und das wird ihm zum Verhängnis, denn genau deswegen rekrutieren ihn die Engländer. Mit seinem Schoner wird er in abenteuerliche Geschichten verwickelt. Sein Pech auch, dass ausgerechnet sein alter Freund, ein deutscher Kapitän, der vor dem Krieg einen Trampdampfer in den Inseln fuhr, nun als feindlicher U-Boot Kommandant zurückkehrt… Das Buch gipfelt in einem furiosen Finale auf Tintamarre, bei dem – nein, ich sollte hier nichts weiter verraten. Nur so viel: Jack rettet das Leben seines Sohnes und auch sein eigenes, vor allem aber auch die Menschlichkeit. Eine packende Geschichte, die, sehr genau recherchiert, auf historischen Fakten basiert. Es ist kein oberflächliches, schnelles „Fast read“ Lesefutter, sondern ein zunächst durchaus gemächlich erzähltes Buch – so, wie das Leben auf den Inseln damals eben auch war. Geschrieben wurde es von Chris Bowman, der selbst Jahrelang in der Karibik lebte und dort noch die Segelschoner erlebte und selber segelte. Auch als Kapitän eines solchen Schoners, der ebenfalls traditionell aus Holz am Strand von Bequia gebaut worden war, für einen gewissen Bob Dylan – das ist aber eine ganz andere Geschichte. Geschrieben ist das Buch in englischer Sprache und leider wurde es auch nicht übersetzt. Und nicht immer ist es leicht zu lesen, die Dialoge der Einheimischen sind in dem wunderbaren Dialekt der Inseln geschrieben… Es lohnt sich dennoch, sich in dieses Buch und in diese vergangene Inselwelt zu vertiefen. Danach wird man die Karibik mit ganz anderen Augen sehen! >

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