Wer kennt ihn eigentlich nicht? Er ist ja ziemlich weit herum gekommen, der alte Kapitän Schwandt, und auch medial ist er ziemlich weit herum gereicht worden. Nun, im Oktober schrieb er seine letzte Kolumne in der „Hamburger Morgenpost“ – es war die 126. Folge! Er verabschiedete sich von seinen Leserinnen und Lesern unter anderem mit diesen Worten: „Ich bin krank und ich fühle mich müde, ich habe nicht mehr die Kraft, mich um die Themen zu kümmern, mit denen ich meine Leser zum Grinsen, zum Nachdenken oder ein paar Reeder und rechtsdrehende Trottel zum Ärgern bringen kann. Ein alter Kapitän weiß, wann es für ihn an der Zeit ist, von der Brücke zu gehen.“
Das hat Format, wie so vieles, was der Kapitän in den vergangenen Jahren von sich gegeben hat. Wer ihn jetzt noch einmal in Ruhe erleben möchte, kann ihn sich nun nach Hause holen. In Form eines Hörbuches, in dem der alten Mann noch einmal aus seinem bewegten Leben erzählt, mit knarziger Stimme und in unsentimentalen Worten. Ein Leben wie ein Abenteuer, mit einer Kindheit und Jugend im Krieg und in den Nachkriegstrümmern Hamburgs, mit einer Seemannslaufbahn wie aus dem Bilderbuch, gemeinsam groß geworden auf See mit der deutschen Handelsschifffahrt der 1950er, 60er und 70er Jahre, vom Leichtmatrosen zum Kapitän. Da gibt es viel zu erzählen, gewiss.
Und so erzählt er dann auch mal. Frei von der Leber weg, als würde man mit ihm gemeinsam irgendwo an Bord beim Bier oder Kaffee sitzen. Quasi wie live und ungekünstelt. Er spricht über die Kriegs- und Nachkriegszeit als Kind, Kohlenklauen und andere Abenteuer. Warum er früh und ganz dringend von Zuhause weg wollte. Und er hält auch nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg, im Gegenteil: Klare Kante, eine deutliche Meinung, das ist, wie er findet, was viel mehr Menschen haben und sagen sollten.
Nach dem Krieg dann erste Seefahrt auf alten Segelschiffen, reinsten Seelenverkäufern, aber andere Schiffe gab es damals noch nicht. Unter haarsträubenden Bedingungen wurden hier Bretter und Kohlen verschifft, damals heiß begehrte Ware. Auch bei den Kapitänen jener Segler.
Dann geht es weiter, eine bunte Reise durch Schiffe, Stürme und Bordelle. Schwere See auf dem Meer und an Land. Irgendwann wurde es mir davon ein bisschen zu viel. Ja doch, möchte man ihn ein-, zweimal ganz unhöflich und vielleicht auch ungehörig unterbrechen, ja doch: Schiffe schaukeln nun mal auf See, sie gehen zur Kehr in grober See und ja, dann klemmt man sich fest zwischen Bank und Back, und man balanciert das Essen nicht immer erfolgreich in den Mund. Schon gut! Und die See ging hoch und höher und der Orkan tobte…
Es überwiegt dennoch das Hörenswerte, Spannende: Das Erleben, das Leben aus einer anderen Zeit. Immer weniger Zeitgenossen haben noch eine Ahnung davon, geschweige denn die Erinnerungen an solches Erleben. So ist es ein großer Verdienst, die vielen und teils wirklich heftigen Erlebnisse dieses Seemannes festzuhalten, zu dokumentieren, zu erhalten: nachrichte aus einer Welt, die es so schon lange nicht mehr gibt. Schon lange? Ja – nur eine Generation, vielleicht, aber auch hier sieht man wieder wie viel in einem Leben erlebt werden kann und wie sehr sich die Welt im Laufe eines Lebens ändert…
Hier geht es zur Literaturboot-Rezension des Buches „Sturmwarnung“.