Dies sind die sehr persönlichen Memoiren des außergewöhnlichen Seglers und Yachtdesigners Dick Carter. Ein Amerikaner, dessen größte Erfolge in Europa stattfanden. Gleich mit seinem ersten eigenen Entwurf, der bemerkenswerten Rabbit, gewann er 1965 das Fastnet-Race, sehr zum Erstaunen des damaligen Segler-Establishment. Es folgten gleich mehrere Siege im Eintonnerpokal, später die in Europa gebauten und beliebten Serienyachten Carter 30 und Carter 33. Was steckte alles in diesem ungewöhnlichen Mann, der lange Zeit in Europa lebte und sich nun in sein Haus auf Cape Cod zurückgezogen hat?
Der Eintonnerpokal von 1967, im englischen Kanal vor Le Havre ausgetragen, galt damals nicht nur als wichtigste Offshore-Regatta des Jahres, sondern auch als »Duell« zweier sehr unterschiedlicher Yachtkonstrukteure: Auf der einen Seite Richard »Dick« Carter, mit den zu seiner Zeit sehr radikalen Entwürfen, und auf der anderen Seite das renommierte Büro Sparkman & Stephens, deren Yachten schon seit Jahrzehnten das internationale Hochseesegeln dominiert hatten. Gegen Carters neue Designs jedoch wirkten die Boote von Sparkman & Stephens durchaus eher traditionell.
Dick Carter (hinten) und Hans Beilken, 1967
Carter war der erste, der flache und in der Schiffsmitte breite Rümpfe mit, für damalige Verhältnisse, sehr schmalen Kielen ausstattete. Der Hauptspant hatte die Form eines Weinglases, die Ruder waren freistehend und weit vom Kiel getrennt, auch waren seine Boote mit reichlich Segelfläche versehen. Den Eintonnerpokal hatte Carter bereits im Jahr zuvor, mit seinem Entwurf Tina, gewonnen.
Für den Eintonnerpokal 1967 bestellte der deutsche Segelmacher Hans Beilken im Namen des Münchner Architekten Georg Köhler eine neue Yacht bei Carter, die bei Abeking & Rasmussen in Bremen gebaut werden sollte. Dies war die Optimist, eine direkte Weiterentwicklung der Tina. Die wichtigste Änderung wirkt aus heutiger Sicht wie ein Schritt rückwärts: »Für Rabbit und Tina hatte ich Spatenruder entworfen, die bei normalem Wind sehr gut funktionierten«, schreibt Carter in seinen Memoiren. »Doch auf raumen Kursen, bei viel Wind, rauem Seegang und hohen Geschwindigkeiten unter Spinnaker ließ jeder heftige Ruderausschlag die Strömung dort abreißen, wodurch die Wirkung des Ruders extrem beeinträchtigt wurde und das Schiff unkontrolliert in den Wind schießen konnte. Also entwarf ich einen Skeg an der Vorderkante des Ruders, damit dieses auch unter extremen Bedingungen noch gut wirken konnte – und es funktionierte«.
Optimist war erst Carters dritter Yachtentwurf und wieder so erfolgreich wie schon Tina davor. Sie gewann den begehrten Eintonnerpokal gleich zweimal hintereinander, 1967 und 1968. Beide Male mit sehr überzeugender Leistung: 1967 vor Le Havre mit den Einzelplatzierungen 4, 1, 1 und 1 und im folgenden Jahr vor Helgoland noch einmal in noch dominanterer Manier (1,2,1,1,1). Beide Male wurde sie von Hans Beilken gesteuert, auch sein jüngerer Bruder Bernd Beilken war in der Crew. Die zwei Brüder hatten die Segelmacherei Beilken in Bremen geerbt und, auch durch ihre Leistungen als aktive Regattasegler, als Unternehmen erfolgreich gemacht. Die beiden waren bekannte und erfolgreiche Regattasegler in Jollenklassen wie dem FD, was sich in ihrem Segelstil auch auf den »Dickschiffen« widerspiegelte: »Ihre Erfahrungen aus den extrem intensiven Rennen im Flying Dutchman setzten sie auch auf dem Eintonner ein«, sagte Carter, der damals mit seiner Tina zweiter hinter der Optimist wurde. Er zeigte sich zwar etwas enttäuscht, dass er gegen Optimist verloren hatte, aber natürlich war es auch gut, dass sein neuerer, weiter entwickelter Entwurf am Ende gewann.
Die beste Schaffenszeit von Dick Carter als Designer war jedoch nur kurz, etwa zehn Jahre, in dem fantastische und legendäre Yachten wie in einem herrlichen Feuerwerk entstanden. Dann, auf der Höhe seines Erfolgs, hörte er fast von einem Tag zum anderen auf und restaurierte stattdessen, gemeinsam mit seiner Frau Andrea, ein Jahrhunderte altes Herrenhaus im englischen Binnenland.
Geboren wurde er in New Hampshire und segelte schon als Kind. Als Regattasegler war er zunächst in verschiedenen Jollenklassen erfolgreich, Yachtkonstrukteur wurde er als Autodidakt. Studiert hatte er Kunstgeschichte in Yale, wobei er sich auch mit der Architektur von Walter Gropius, dem Gründer des Bauhaus, beschäftigte. Auf Yachten übertragen, führten dessen Ideen vermutlich dazu, dass Carters Entwürfe besonders klare, freie Decksflächen hatten.
Eine Carter 30 in Schweden
Tatsächlich gilt Carter als derjenige, der moderne Yachten quasi erfunden hat. 1965 wurde er auf einen Schlag berühmt, mit einer besonders innovativen, von ihm selbst entworfenen Yacht: Rabbit. Ein eher kleines Boot, nur zehn Meter lang und von einem völlig unbekannten Designer, gewann das anspruchsvolle Fastnet Race, dem »Everest der Hochseesegler«. Soviel war danach schon klar: Carter würde die Welt der herkömmlichen Yachtentwürfe kräftig aufmischen.
Was er dann auch tat, mit komplett unkonventionellen Ansätzen und Ideen. Er fegte wie eine frische Brise durch die Szene der sehr konventionellen Yachtsegler – sicher auch eine Folge seiner untypischen Laufbahn als Yachtkonstrukteur. Nämlich nicht, wie es bis dahin noch üblich war, als Lehrling bei einem der großen, etablierten Konstrukteure. Sondern getrieben von seiner Faszination am Segeln, ein Sport, den er ganz anders betrachtete als die meisten seiner Zeitgenossen. Er entwarf Rümpfe mit radikalen Linien, die zuweilen auch Jollen nicht unähnlich waren.
Damit stieß er eine Entwicklung an, mit der er bald selber nicht mehr glücklich war. Sein Ideal waren »Cruiser-Racer« wie die eingangs erwähnte Optimist, schnelle und gut segelnde Rennyachten, die jedoch auch seetüchtig sein und ihren Crews einen angenehmen Lebensraum unter Deck bieten sollten. Im Lauf der 1970er Jahre wurden die Yachten auch anderer Designer immer extremer, leichter und weniger Seegängig. Oder, wie er es ausdrückte, »weniger Wohltuend«. Mit der ihm eigenen Konsequenz beendete er also seine sehr erfolgreiche Tätigkeit als Yachtdesigner: »Ich wollte keine Boote entwerfen mit Eigenschaften, an die ich selber nicht glaubte«, sagte er später.
Ein ebenso seltenes wie interessantes Buch über die vielleicht wichtigste Zeit in der Entwicklung moderner Segelyachten. Unbedingt empfehlenswert und ein Leckerbissen für alle, die sich für Yachtdesign und die jüngere Geschichte des Segelsports interessieren. In englischer Sprache mit vielen Fotos.