Es ist wie eine Szene aus einem romantischen französischen Film, oder aus einem impressionistischen Gemälde von Auguste Renoir, dabei sind wir auf der idyllischen Insel Lyø am Rande des Südfünischen Inselmeeres, das von segelnden gerne als Dänische Südsee bezeichnet wird. Einige ebenso fröhliche wie entspannte Menschen sitzen auf altem, wacklig wirkenden Gartengestühl in der warmen Frühjahrssonne vor der ehemaligen Inselschule, die nun ein Restaurant und eine Bar ist. Sie reden und lachen und trinken Wein, ab und zu kommt mal jemand vorbei und setzt sich auf ein Glas dazu, geht dann wieder seines Weges. Und immer mal wieder steht einer auf, geht hinein ins gemütliche, gelbe Haus und kommt mit einer frischen Flasche kühlen Roséweines zurück.
Dies also ist das „Hly“, ein Geheimtipp und einer von zwei Gründen, warum ich über Ostern nach Lyø gesegelt bin. Der zweite Grund, das erfahre ich einige Augenblicke später, sitzt mitten in der lustigen Gruppe, es ist der Bootsbaumeister Jan Vogt, der hier auf der Insel wunderschöne, geklinkerte Holzboote baut – Ruderboote, auch geeignet als Yachtbeiboote, oder segelnde Jollen und Kutter. Auch über ihn werde ich schreiben, dazu bald mehr hier auf Literaturboot.de.
Doch erst einmal zurück zum „Hly“, was übrigens ein altnordisches Wort ist, welches soviel bedeutet wie Geborgenheit, oder auch Wärme und Liebe. Dass dieser Name sehr passend gewählt ist, merke ich schon sehr bald. Der Laden hat eigentlich zu, erklärt mir Christine Petterson, die Wirtin, aber wenn ich etwas haben möchte, sei das kein Problem. Ein Glas Wein? Aber natürlich! Dann erwähne ich, dass ich über Jan schreiben wolle, und zu meiner Verblüffung lacht sie und sagt: Da sitzt er! Lyø ist eben eine kleine Insel, und diese Menschen sind wirklich herzlich und einladend – sie hätten ja heute geschlossen, sagt Christine, aber heute Abend würden sie für ein paar Freunde einige Kleinigkeiten zubereiten, falls ich möchte, könne ich gerne zum Essen dableiben. Und ob ich das möchte!
Und dann frage ich sie aus, Christine und ihren Geschäftspartner Anders Kraft. Hier die Kurzversion: Sie ist Norwegerin und eigentlich Schauspielerin von Beruf, Anders kommt aus Kopenhagen und ist Koch. Und nein, versichern sie, sie seien kein Paar, aber gut befreundet und eben ein ganz besonderes Team.
Das müssen sie auch sein, in dieser Art der sehr persönlichen Gastronomie, die so unglaublich anstrengend und intensiv ist. Im Sommer arbeiten sie durch, sieben Tage die Woche, drei, vier Monate lang. Dafür sind die Öffnungszeiten im Frühjahr eher flexibel, Details dazu finden sich auf ihrer Webseite. Und eine Karte gibt es natürlich auch nicht, sie kochen immer mit frischen, lokalen Zutaten, was eben gerade verfügbar ist. Nach Möglichkeit haben sie fast immer Fisch, Meeresfrüchte und ein Fleischgericht, dazu können sie etwas für Vegetarier zaubern, auch für ausgefallene Wünsche finden sie garantiert immer eine Lösung. Die Küche beschreiben sie als traditionell Dänisch mit einem modernen Touch des „New Nordic“, dazu noch einen französischen Twist.
Doch wie kommen die beiden dazu, ausgerechnet hier auf Lyø ein solch schönes, gleichzeitig trendiges wie geerdetes Lokal zu betreiben? Anders pendelt von Kopenhagen, er hat dort noch einen Sohn, auch Christine ist nicht immer auf der Insel, außer im Sommer natürlich, da sind beide durchgängig hier. Anders erzählt vom Segeln, er ist ein begeisterter und leidenschaftlicher Segler, unten im Hafen liegt sein Boot, eine schnelle und schöne Aphrodite 101. Und es war wohl das Segeln, das ihn nach Lyø gebracht hat, und irgendwann erklärte jemand ihm, dass die alte Schule leer stünde und dass man doch etwas draus machen könne – die Einzelheiten allerdings sind lost in translation, um mich herum wird natürlich Dänisch gesprochen, da komme ich nicht mit, ab und zu werden mir ein paar Worte in Deutsch angeboten, öfter aber reden wir Englisch, meist jedoch alles fröhlich durcheinander. Aber man muss ja nicht immer alles wissen, es reicht, die einzigartige Stimmung dies besonderen Ortes zu spüren. Die Gastfreundschaft zu genießen, und natürlich das sehr gute Essen und den Wein und, ja, eben das Hly.
Am Abend kommen die „paar Freunde“, der Laden ist rappelvoll, es sind alles Insulaner, die sich an diesem Ostersamstagabend hier treffen. Und die Kleinigkeiten? Sind überaus köstlich, und entpuppen sich als eine Folge von etlichen kleinen Gerichten, an denen sich jeder einfach bedienen kann: Zwei Salate, einer mit Huhn und einer mit Krabben und Kimchi, dazu gibt es knusprig geröstetes Weißbrot und kräftiges, dunkles Vollkornbrot. Dann die typisch dänischen Tarteletter mit zwei verschiedenen Füllungen, dazu knackigen grünen Salat, plötzlich stehen auch Muscheln in einem köstlichen Sud auf dem Tresen und dann noch das traditionelle Biksemad mit roter Beete und Spiegelei. Der wirkliche Hauptgang aber sind sehr frische Seeteufel, intensiv im Geschmack, gleichzeitig saftig und bisszart. Mit anderen Worten: Es wird ein wunderbares fröhliches Gelage, welches sich bis spät in den Abend hinzieht.
Selbst mein Heimweg zum Hafen, über die stille, dunkle Insel unter einem intensiven Sternenhimmel, hat etwas beseelendes. Und am nächsten Morgen holt Jan mich am Hafen ab und zeigt mir seine Inselwerft. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte… (bald hier auf dieser Seite).
Hly, Restaurant, Bar. Den gamle skole, Roestoftvej 8, Lyø. Vom Hafen aus etwa einen Kilometer bis ins Dorf, dann immer auf der „Hauptstraße“ weiter, am Købmand noch vorbei, bis man fast am Ende des Dorfes ist, dann nach rechts zum dem gelben Gebäude. Im Sommer empfiehlt es sich, einen Tisch zu reservieren, ganz besonders für größere Crews. Telefon +45 6161 9404 oder E-Mail hello@hly.dk.