Die alten Bücher lesen. Die Klassiker der Segelliteratur über die frühen Reisen. Lesen und erleben, wie es damals war. Wie es ging und was nicht ging. Und die Bräuche und Sitten und Methoden. Was ich hier auf Literaturboot.de einst über das Buch „Der verschenkte Sieg“ geschrieben habe, gilt für alle der in diesem Beitrag genannten Titel: „Doch auch das Handwerk des Segelns, des einfachen Segelns, wird hier ebenso interessant wie genau beschrieben. Das ist für heutige HochseeseglerInnen besonders interessant. Zu lesen, mit welch einfachen Booten und Mitteln man fantastische Reisen über Ozeane unternehmen kann. Und dabei die Zeit auch noch genießt, statt an der immer komplizierteren Technik an Bord zu verzweifeln…“ Ebenso wunderbar wie typisch für diese frühen Hochsee-Pioniere ist das herrliche Understatement: „Plymouth liegt so nahe, nur 10.000 Seemeilen im Norden“, schreibt Moitessier, nachdem er die Welt schon fast komplett alleine umsegelt, Kap Horn hinter sich hat und wieder im Atlantik ist. Kurz bevor er abdreht und weiter segelt nach Osten, ein zweites Mal um das Kap der Guten Hoffnung herum, bis er, endlich, in Tahiti festmacht. Nach dann eben eineinhalb nonstop Weltumsegelungen.
Die lange Reise von Moitessier. Sémhur / Wikimedia Commons
Ernst-Jürgen Koch schrieb in seinem wunderbaren Buch „Hundeleben in Herrlichkeit“ einst: „Der Mensch kann das Land beackern und bewohnen, wird ernten. Das Meer kann er nur heimatlos befahren und braucht die ganze Kraft seiner Seele dazu!“ Seine Frau Elga und er segelten in den Jahren 1964 bis 1967 als erstes deutsches Ehepaar auf einem kleinen Kielschwertkreuzer um die Welt. Danach kehrten sie nicht mehr in ihre vorherigen bürgerlichen Existenzen zurück, sondern lebten weiterhin auf Schiffen und, gegen Ende ihrer Leben, in einem Haus auf La Palma. Die Kochs waren frühe „Aussteiger“ aus der schon in den frühen 1960er Jahren stark konsumgetriebenen Gesellschaft, sehr früh schon erkannten sie auch, wie die Umweltzerstörung weltweit um sich greift und Einmaliges vernichtet.
Dies wiederum schrieb mein Freund und hoch geschätzter Kollege Tom Cunliffe über James Wharram (und das Buch „People of the Sea“): „Obwohl ich James schon sehr lange kenne, habe ich erst bei der Lektüre dieser Memoiren erkannt, wieviel mehr als nur ein Designer er tatsächlich ist. Ein halbes Jahrhundert später und er ist immer noch ein unabhängiger Geist. Seine Weigerung, sich mit der immer weiter um sich greifenden Bürokratie unserer Zeit abzufinden hat so manchen Segler in der heutigen konsumorientierten Szene zum Nachdenken über das gebracht, was wirklich zählt. Der Strom von Entwürfen von seinem Zeichenbrett hat Generationen befreit, aber mit einem Satz Wharram-Pläne erhält man so viel mehr als nur die Zeichnungen.“ Das wirklich lesenswerte Buch „Zwei Girls, zwei Katamarane“ berichtet von seiner ersten Atlantiküberquerung in einem selbstgebauten Katamaran Anfang der 1950er Jahre, gemeinsam mit Ruth Merseburger und Jutta Schultze-Rohnhof, von Falmouth nach Trinidad. Dort bauten sie, mit Hilfe von Bernard Moitessier, einen größeren Katamaran und segelten damit Ende der 1950er Jahre zurück nach England. Dies war die erste West-Ost Überquerung des Atlantiks, von New York nach Irland. Das Buch erschien im englischen Original unter dem Titel „Two Girls Two Catamarans“.
Der ultimative Segelpionier war allerdings Kapitän Joshua Slocum. Er segelte von 1895 bis 1898 als erster Mensch allein um die Welt und hat damit eine neue Form des Segelns begründet. In seinem Bericht über diese einzigartige Reise erzählt Slocum nicht nur von den Herausforderungen, sondern auch von der Poesie des Lebens auf hoher See: „Alleine um die Welt segeln“.
Die „Spray“ von Joshua Slocum in Sydney Harbour. Foto: Public Domain / Wikimedia
Eine ebenso romantische wie entbehrungsreiche Hochzeitsreise von 1011 Tagen erlebten Astrid und Wilfried Erdmann. Dafür hatten sie nicht nur die Meere, sondern auch ganze Inseln für sich allein, auf denen sie das erlebten, wovon andere nur träumen: die Robinsonade eines paradiesisch einfachen Lebens. Dazu gehörten auch Momente großer Gefahr – etwa als sie auf der letzten Etappe von Madagaskar ums Kap der guten Hoffnung nach Plymouth in einen schweren Orkan gerieten -, aber auch die Augenblicke großer Freude. Traumstationen wurden ihre Aufenthalte auf den Inseln der Südsee, auf Tahiti, Samoa, Tatuhiva, den Kokos- und Fidschiinseln: „1000 Tage Robinson“.
Das alles sind starke Charaktere, starke Geschichten, starke Bücher. Kaum etwas aus unserer Zeit kann dem gleichkommen. Deshalb ist es so wunderbar, diese alten Bücher zu lesen. Abenteuer und Exotik pur, wo heute nur noch Langeweile und Durchschnitt herrschen – selbst auf den Ozeanen. Die ja am liebsten mit Luxusyachten befahren werden, mit ununterbrochener Internetverbindung und Satellitentelefon und TV selbst noch in den Weiten des Pazifiks, gerne auch in der Herde einer organisierten Rally, so dass man sich als zeitgemäßer „Skipper“ auch wirklich um nichts mehr sorgen muss: Im Rudel ist der Einzelne sicher.
5 Klassiker der Segelliteratur:
- Wilfried Erdmann, 1000 Tage Robinson. Leider nur noch Antiquarisch erhältlich
- Ernst-Jürgen Koch, Hundeleben in Herrlichkeit. Leider nur noch Antiquarisch erhältlich
- Bernard Moitessier, Der verschenkte Sieg Hier bestellen
- Joshua Slocum, Alleine um die Welt segeln Hier bestellen
- James Wharram, Zwei Girls, zwei Katamarane nur als e-Book beim Palstek-Verlag