Wie immer rein äußerlich ziemlich cool, doch mit dem richtigen Mindset, immer positiv und sehr fokussiert hat Boris Herrmann eine großartige Tat vollbracht. Weg mit dem Hut, Glückwunsch, Gratulation und mehr zu dieser gigantischen Leistung. Was aber im Grunde die – vorerst – Kulmination seiner bisherigen, zielstrebigen Segelkarriere ist. Und für ihn die Erfüllung eines lang gehegten Traumes, eines schon früh und hoch gesteckten Zieles: Die Teilnahme am ultimativen Hochseerennen, der Vendée Globe.
Zwar ging er als Vendée Globe Neuling an den Start, aber mit Zig-Tausenden von Meilen im Kielwasser, auf verschiedensten Booten, immer auf See und immer im Rennen. Wer ihn kennt ahnte, wusste, dass er sich nicht mit einem olympischen Dabeisein ist alles begnügen würde und dass er alles tun würde, um so gut wie möglich abzuschneiden. Dass es dann so gut geworden ist, das ist allerdings wirklich klasse – aber auch verdient.
Und: On n’est jamais à l’abri d’une bonne surprise– Man ist nie sicher vor einer positiven Überraschung. Ein schöner Satz, gesagt von Segelprofi Francis Joyon und zitiert von Boris Herrmann gleich zu Beginn seines derzeit leider nicht lieferbaren Buches „Nonstop“. Warum eigentlich ist es ausgerechnet jetzt nicht lieferbar? Egal, wir feiern Boris auch so und werden in den kommenden Tagen und Wochen gewiss noch mehr von ihm selbst hören. Schon jetzt ist er auch derjenige, der das Segeln in die deutschen Medien gebracht hat.
Mittwoch 27.1. 19.50 UTC – Breaking News: Kurz vor dem Ziel hat Boris mitten in der Biskaya eine Kollision mit einem Fischerboot gehabt.
Das ist ein unglaubliches Pech, denn eigentlich war er auf Kurs zu einem Podiumsplatz. Immerhin ist er selber offenbar unverletzt, im Gegensatz zu seinem Schiff. Kurz nach der Kollision war er zuversichtlich, noch aus eigener Kraft das Ziel zu erreichen und das Rennen beenden zu können. Wenn nun auch ohne jede Chance, noch einen Platz auf dem Podium zu erreichen, mit sehr reduzierter Geschwindigkeit. Das ist wirklich Herz-zerreißend. Wir feiern Boris umso mehr!
Update am Donnerstag früh.
Das war quasi meine live-Berichterstattung am Abend, als Charlie Dalin als erster über die Ziellinie segelte: Nach 80 Tagen, 6 Stunden und 15 Minuten und rund 28.000 Seemeilen. Dicht hinter ihm folgten zu diesem Zeitpunkt noch Louis Burton, Boris, Thomas Ruyant und Yannick Bestaven. Beste Chancen, noch, für Boris, aber auch Yannick. Denn beide hatten eine Zeitgutschrift von der Rennleitung erhalten, weil sie im Dezember an der Rettungsaktion von Kevin Escoffier beteiligt waren. Der musste sein havariertes Schiff mitten im Indischen Ozean, südöstlich des Kaps der Guten Hoffnung aufgeben. Mit dieser Zeitvergütung wäre Boris auf das Podium gekommen, ebenso wie Yannick – der nun, am Ende, zum Sieger des Vendée Glob Rennens 2020/21 erklärt wurde.
Boris Herrmann ist der erste deutsche, der jemals am Vendée Globe teilgenommen hat, diesem unglaublichen Rennen nonstop einmal um die Welt. Und es sah bis kurz vor dem Ziel, 85 Seemeilen um genauer zu sein, sogar ganz danach aus, als würde er einen Platz unter den ersten drei erreichen können – sogar ein Sieg wäre theoretisch noch möglich gewesen. Eine Sensation.
Dann aber dies. Eine Kollision mit einem. Fischtrawler, nachts, in der Biskaya. Boris sagte folgendes dazu: „Plötzlich sah ich eine Wand neben mir, die Schiffe verhakten sich, ich hörte Männer rufen.“ Der Bugsprit seines Schiffes wurde abgebrochen, sein Vorsegel zerriss, ein Foiler wurde beschädigt. Besonders kritisch war, dass das Steuerbord-Want abriss. In den Stunden nach der Kollision arbeite Herrmann fieberhaft, den Mast zu sichern und das Want zu ersetzen, um überhaupt noch das Ziel zu erreichen.
Ich bleibe natürlich dabei, wir, alle Fans von Boris, feiern ihn umso mehr. Dies ist eine grausame Erinnerung daran, dass bei einem Hochseerennen wirklich alles passieren kann – und dass das Rennen wirklich erst im Ziel vorbei ist.
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