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Me, the Boat and a Guy Named Bob

„Vielleicht hat das Riff da draußen vom ersten Tag an auf Dich gewartet“, meinte Bob Dylan zu seinem Freund Chris Bowman, als der ihm sagen musste, dass er grade deren gemeinsame Segelyacht auf einem Riff vor Colon, neben der Einfahrt zum Panama Kanal, verloren hatte. Und es war nicht einfach nur irgendeine Yacht – es war der wunderschöne, hölzerne Schoner „Water Pearl“, der letzte, der auf traditionelle Art am Strand der Karibikinsel Bequia gebaut worden war. Unter Palmen. Dafür ohne Pläne, ohne elektrisches Werkzeug, ohne modernes Material. Damals, Ende der 1970er Jahre, lebten noch einige Bootsbauer auf der Insel, die das alte Handwerk beherrschten. Mit einem Auge für Linien und unerschütterlichen Selbstvertrauen, mit Geduld und ausschließlich Handarbeit bauten sie in knapp zwei Jahren den großen, 20 Meter langen Schoner. 1979 gab es ein rauschendes Fest auf der Insel, als der Schoner zu Wasser gelassen wurde – nein, hinein bugsiert wurde, müsste man eher sagen.

Wie es dazu kam, dass der junge Chris Bowman, der als 20-jähriger Kalifornien verlassen hatte um zu den Seychellen zu fahren, dort als totaler Habenichts an Bord einer Yacht anheuerte und fortan die bemerkenswertesten Abenteuer auf den Ozeanen erlebte; dass also dieser Kerl nur wenige Jahre später diesen großen Schoner für sich und Bob Dylan baute, darum geht es in diesem Buch.

Das ist an sich natürlich eine bemerkenswerte Geschichte. Aber darin stecken viele andere Geschichten, die das Leben von Chris in jenen wilden Jahren ausmachten und die zusammen die außergewöhnliche Kette der Ereignisse bilden, die dazu führte, dass Chris und Bob schließlich auf ihrem gemeinsamen Schiff durch die damals noch so romantische und wunderschöne östliche Karibik der 1980er Jahre segelten.

Bis dahin aber war es ein langer Weg, wie gesagt, voller bunter Abenteuer. „Glaube nicht den Blinden, das Universum wird für dich sorgen!“ ist ein Satz, den Chris in einer Höhle irgendwo auf einer Insel, ich glaube es waren die Kanaren, von einem philosophierenden Hippie hörte und für sich verinnerlichte. Und tatsächlich: Immer wenn es für ihn besonders eng wurde, er nicht weiter wusste und wieder mal komplett pleite war, tat sich eine neue Tür auf, mit neuen Chancen und einem neuen Job an Bord irgendeiner Yacht.

Wie aber passt das traurige Ende der schönen „Water Pearl“ dazu? Nun, man soll ja gehen, wenn es am schönsten ist. Dieser Zeitpunkt schien aber schon leicht überschritten zu sein, als Chris sich mit einer zusammen gewürfelten Crew auf den Weg in den Pazifik machte, denn dort wollte er hin, nach all den Jahren in der Karibik. Noch eine Saison chartern? Immer, wenn Bob Dylan nicht an Bord war, betrieben Chris und seine Frau mit einer Crew aus Bequia den Schoner als Charteryacht. Immerhin musste er sich ein Einkommen verdienen, immerhin hatten die beiden bereits eine kleine Tochter, die mit an Bord lebte. Aber nach einigen erfolgreichen Jahren stellte sich die Frage: Noch eine Saison? Und noch eine? Und danach?

Als seine australische Frau Vanessa zum zweiten Mal schwanger war und für die bevorstehende Geburt des Kindes nach Hause flog, war es für ihn klar. Er überredete Bob, das gemeinsame Schiff in den Pazifik zu verholen und es dort eine Weile zu segeln. Aber dann? Vielleicht hätte er dort am Ende auf andere Art Schiffbruch erlitten. So jedoch ließ er sich nach dem schmerzlichen Verlust des Schoners mit seiner jungen Familie in Australien nieder, nahe Perth, wo sie heute noch leben.

Das ist auch tröstlich. Auch für mich, nebenbei bemerkt. Denn damals, 1979, hätte ich ihn treffen können, müssen, auf Bequia. Ich war noch viel jünger als er und hatte als Matrose auf einem Charterschoner angeheuert, dessen deutschen Kapitän meine Familie und ich aus Hamburg kannten – Abenteuer light, im Vergleich zu den Wegen von Chris. Damals redeten alle davon, dass hier, auf meiner damaligen Lieblingsinsel, ein Schoner für Bob Dylan gebaut würde. Aber ich traf Chris nicht, lernte ihn nicht kennen; obwohl wir höchstwahrscheinlich mehr als einmal gleichzeitig in der Bar des Frangipani Hotels saßen. Und später, in den 1980ern, als ich so oft segelnd in eben diesem Teil der Leeward Islands unterwegs war und Chris entweder mit Bob oder mit Chartergästen dort ebenfalls herumkreuzte. Es dauerte dann fast 40 Jahre länger bis wir uns, durch seinen ersten Roman „Tradewinds“, zumindest virtuell im Internet begegneten. Und bei stundenlangen Skype-Unterhaltungen viele Gemeinsamkeiten aus jenen Jahren feststellten…

Tröstlich? Ja – denn was wäre eigentlich gewesen, frage ich mich angesichts der Lektüre dieses außergewöhnlichen Buches, wenn ich ihm damals begegnet wäre? Vielleicht, wie er, einfach geblieben wäre? Den Mut hätte ich damals vermutlich noch nicht gehabt und nach einigen Monaten ging ich ja denn auch brav wieder zurück nach Hause, nach Europa, in ein Studium, welches ich sehr bald abbrach weil es mir nichts mehr sagte nach den wenigen Monaten in der Karibik.

Tröstlich also, dass auch das fantastische Leben in der damals wirklich noch paradiesischen Karibik sich irgendwann einmal abnutzt.  Denn tatsächlich, wer dieses Buch liest wird vermutlich insgeheim das eigene Leben einmal kritisch überprüfen.  Was, frage auch ich mich, habe ich daraus gemacht? Und ganz gleich, zu welchem Schluss man danach kommt, da muss man angesichts eines Lebens wie dem hier geschilderten einfach mal kurz hindurch.

Daneben ist „Me, the Boat and a Guy Named Bob“ ein packendes, humorvolles, menschliches, auch Zeitgeschichtlich spannendes und nostalgisches Buch, welches das Leben auf den Inseln damals noch einmal lebendig werden lässt – heute ist es ja leider längst vorbei und komplett anders. Die Story des Schiffbaus am Strand von Bequia alleine ist eine Wucht, sogar noch faszinierender als die wenigen (und rücksichtsvoll dezenten) Einblicke in die Welt von Bob Dylan, wie er an Bord war und, komplett anders, beispielsweise auf seinen weltweiten Tourneen, zu denen Chris und seine kleine Familie ihn mehrmals begleiteten.

Mehr zu diesem Thema hier auf Literaturboot:

Tradewinds

Beide Bücher (bisher beide nur in englischer Sprache) kann man direkt beim Verlag bestellen: www.tradewindpublishing.com

Oder bei Amazon bestellen

2 Antworten

    1. Hallo, dieses Buch wird vermutlich in absehbarer Zeit leider nicht auf Deutsch erscheinen, jedenfalls ist mir nichts in dieser Hinsicht bekannt. Aber die englische Ausgabe kann im Buchhandel (laden oder Internet) bestellt werden…

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