Murphys Law: Was schief gehen kann, geht schief. Kennen wir doch alle. Wer auch immer Probleme oder Stress mit seinem Schiff hat, sollte dieses Buch lesen. Mit welcher Nonchalance Jack London hier von Pleiten, Pech und Pannen berichtet, ist wahrlich groß. Aber das ist, wie wir noch sehen werden, nur der kleinere Teil des Bildes.
Doch als er sich seine Traumyacht bauen ließ, klappte so gut wie nichts. „Die Snark ist ein kleines Boot. Als ich ihre Kosten großzügig mit siebentausend Dollar ansetzte, war ich sowohl freigiebig als auch korrekt. Ich habe Scheunen und Häuser gebaut und weiß, welchen eigenartigen Hang solche Projekte haben, ihre geschätzten Kosten zu übersteigen. Ich wusste Bescheid, hatte bereits eine klare Vorstellung davon, als ich die Kosten für den Bau der Snark auf siebentausend Dollar schätzte. Sie kostete dreißigtausend. Keine Fragen, bitte. Es ist wahr. Ich unterschrieb die Schecks und trieb das Geld auf. Natürlich gibt es keine Erklärung dafür. …“ Das, allerdings, ist die einzig richtige Einstellung für einen Yachteigner!
Dafür taugte sie nichts. Konnte ums Verrecken nicht beidrehen, wie er ausgiebig berichtet. War schon rott, bevor sie das erste Mal ins Wasser ging. Leckte wie ein Sieb, der Motor verreckte, die Beschläge im Rigg und an Deck brachen – kurzum, ein Albtraum bei dem alles zu Bruch ging was nur irgendwie kaputt gehen konnte. Trotzdem fuhren sie los, mit einem halbfertigen und halb kaputten Schiff von San Francisco weg auf den Pazifik hinaus, nur um dem Spott der Leute dort zu entgehen. Und landeten tatsächlich, 27 Tage später, in Pearl Harbour auf Hawaii. Alleine das ist schon eine große Leistung. Hier, auf Hawaii, blieben sie recht lange – erkundeten die Inseln, lernten Surfen, vor allem aber wurde hier die Snark fertig gebaut und ausgerüstet, einigermaßen fit gemacht für den weiteren Verlauf dieser Reise.
Eine Reise die, anders als hier und dort beschrieben, keine Geschichte des Scheiterns ist. Auch nicht des schönen Scheiterns. Es ist die Geschichte einer glücklichen Reise, einer tollen Reise obendrein und eines großen Erfolges. Glücklich, vor allem weil einerseits Charmian und Jack ganz offenbar so glücklich miteinander gewesen waren, und weil sie andererseits, vielleicht befeuert durch eben dieses Glück, alle Schwierigkeiten mit ihrer Snark, ihrem gemeinsamen Projekt, nicht nur überwunden haben – sie sind daran gewachsen. So, wie Jack sich notgedrungen die Navigation selber beibrachte unterwegs, nachdem er den dritten von untauglichen, unzuverlässigen, unehrlichen Kapitänen feuern musste. Sehr humorvoll und sehr nachfühlend beschrieben in einem Kapitel – besonders wenn man, wie ich zufällig gerade auch, sich tatsächlich selbst mit dem Erlernen der astronomischen Navigation beschäftigt. Wie sehr kann ich seine Nöte, aber auch seine Triumphe nachvollziehen! Und auch dies: „Und ich scheue mich nicht zu erzählen, dass ich in jener Nacht, während alle schliefen, hinaus aufs Deck schlich und mich diebisch – ja, diebisch – über meine Navigation freute.“ Das, nachdem er eine Insel, einen Ankerplatz wie geplant nach einer schwierigen Überfahrt genau gefunden hatte. Welch ein köstliches Gefühl! Und eins, das leider die Knöpfchendrücker unserer Tage niemals werden auskosten dürfen…
Aber dieses wunderbare Buch ist mehrdimensionaler, es geht hier nicht nur um die Seefahrt mit der Snark, so faszinierend diese auch gewesen sein mag. So ganz en passant fallen profunde Sätze wie dieser (über den bemerkenswerten „Nature Man“): „Darling war eine unerwünschte Person. Jeder, der eine eigene Meinung hat, ist unerwünscht.“ Geschildert wird aber auch das Paradies auf Erden. Falls es das je gegeben haben sollte, dann vielleicht hier, in der Südsee des Jahres 1908. Eine untergegangene Welt, natürlich, und das macht umso melancholischer. Und doch – wer auch nur ansatzweise vom Fernweh geplagt ist, sollte dieses Buch dann lieber doch nicht lesen. Denn dann wird man nur eins noch wollen: Selber hinaus. Am besten mit einer Snark, vor allem mit einer Charmian, aber vor allem: Los! Entdecken! Abenteuer!
Übrigens: Dass die beiden ihre Reise in Australien abbrechen mussten und nicht, wie geplant, um die Welt segeln konnten, hat nichts mit den eventuellen Unzulänglichkeiten der Snark zu tun. Es war einzig einer gemeinen Krankheit geschuldet, die Jack in den Tropen heimgesucht hatte. Leicht dürfte ihnen dieser Entschluss nicht gefallen sein. Dies ist, so viel darf hier verraten sein, der letzte Satz dieses Buches: „Im Krankenhaus, als ich Charmian mitteilte, dass ich nach Kalifornien zurückkehren müsse, brach sie in Tränen aus. Zwei Tage lang war sie am Boden zerstört und untröstlich, weil sie wusste, dass wir die glückliche, glückliche Reise nicht fortsetzen konnten.“
Also kann ich an dieser Stelle nur sagen: Leute, lest dieses Buch! Dieses wunderbare Buch, das obendrein in dieser neuen Ausgabe vom mare Verlag so liebevoll hergestellt ist. Als Bonus enthält es noch zwei kurze Texte von Jack London, einen Aufsatz über das Sportsegeln und eine Kurzgeschichte. Dazu Betrachtungen über das Logbuch der Snark, als Nachwort verfasst von Alexander Pechmann, der auch die wirklich gelungene Übersetzung lieferte. Bis auf einen Wermutstropfen – mit dem nautischen Fachvokabular, mit den seglerischen Begriffen, vertut er sich zuweilen, was mich zu Beginn der Lektüre irritiert hat. Mehr aber auch nicht. Man muss als Segler nur zwischen den Zeilen die richtigen Schlüsse selber ziehen.
2 Antworten
Ein wirklich ausgezeichnetes Buch! Segelte die SNARK nicht am besten rückwärts? Das konnte meine Prout Snowgoose 35 auch gut…
Ja, schon. Aus den Niederlanden – glaube ich – kommt der schöne Satz: „Wer ein langsames Schiff hat, ist länger auf dem Wasser“. Oder so. Na ja, Hauptsache man kommt irgendwann an und das ist Jack London ja auch immer gelungen..