Störche über der Lagune

Winter in der Algarve: Um an Bord einen milden Winter zu genießen, muss man Europa nicht unbedingt verlassen. Auf dem Weg nach Süden blieben wir vor etlichen Jahren mit unserem Schiff einen Winter lang in der Algarve hängen…

Franco hatte es nicht immer leicht mit uns. Er war der Inhaber des kleinen „Marina Café“ in Lagos, ein netter Kerl und immer zu dummen Späßen aufgelegt. Bis zu dem Abend, wo Keith, der Waliser, unser virtuelles Orchester ins Leben rief. Wir saßen in unserer üblichen Runde von etwa sechs oder sieben Leuten beisammen und jeder überlegte sich ein Instrument, das er spielen würde. Und wann immer ein anderer Gast das Café betrat, legten wir los – jeder ahmte sein Instrument lautstark nach und fuchtelte dazu, das Spiel imitierend, mit den Händen in der Luft herum. Einige Kunden waren schon arg verschreckt, wenn sie nichtsahnend das Café betraten und dann von diesem Höllenspektakel begrüßt wurden. Dies wiederum ging Franco bald auf die Nerven, aber wir ließen uns deswegen nicht von unseren Konzerten abhalten. Schließlich waren wir die Stammgäste hier. Juha, der Ex-Werber aus Helsinki, kochte jeden Abend für unsere kleine Runde im Café. Franco war dieses Arrangement recht. Am Essen, das Juha zum Einkaufspreis zubereitete, verdiente er nichts, aber dafür hielt er uns bei der Stange und verkaufte seinen Wein und sein Bier und seinen scharfen Schnaps von den Kapverden, seiner eigentlichen Heimat.

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Winter in Lagos. Wir machten einige Wochen um Weihnachten herum hier Station. Schnell merkten wir, dass viele Nordeuropäer hier regelmäßig überwintern – vor allem Deutsche und Engländer. Einige kommen, wie wir, mit Segelbooten, andere in Wohnmobilen. Die meisten jedoch nutzen die günstigen Charterflüge von Deutschland nach Faro und suchen sich hier ein Quartier. Das ist im Winter kein Problem, das Angebot reicht von Hotels aller Kategorien über Pensionen bis hin zu einzelnen Häusern und Villen.

Tagsüber genossen wir die wärmende, milde Wintersonne bei langen Spaziergängen an dem kilometerlangen Strand östlich der Stadt, der ganz bis zur Lagune von Alvor reicht. Einige mutige Menschen baden hier selbst im Dezember im Atlantik, der dann noch wärmer ist, als die Ostsee in so manch verregnetem Sommer. Oder wir gingen zu den Felsen westlich von Lagos, mit bizarren Klippen, wasserumspülten Höhlen und versteckten kleinen Sandstränden dazwischen, auf denen sogar Weihnachten noch einige sonnenhungrige Nordländer ganz hüllenlos herumlagen.

Abends ließen wir uns durch die malerischen, katzenkopfgepflasterten Gassen der Altstadt treiben und wanderten von Bar zu Bar. Wenn Juha einmal nicht kochte, aßen wir in einem der Restaurants im Ort. Bars und Restaurants gibt es in Lagos mehr, als man sie zählen möchte, und dies ist immerhin ein Vorteil eines sehr touristischen Ortes. Im Sommer wird es hier sehr voll, sehr laut und sehr ungemütlich. Doch jetzt, im milden Winter, kehrt auch dieser Ort zu seinem ursprünglichen, gemächlichen Tempo zurück. Der Fischmarkt, täglich, und der Bauernmarkt, Samstags, werden in dieser Zeit wieder hauptsächlich von Portugiesen frequentiert. Und ein besonderer Genuss war es, mittags, in der prallen Sonne sitzend, in einer der zum improvisierten Grillrestaurant umfunktionierten Garagen beim Fischereihafen auf der anderen Seite des Flusses zu essen. Gegrillten, frischen Fisch, Salat und Weißwein satt, soviel man möchte, für eine Handvoll Euro  – im Sommer wäre dies undenkbar.

Sehenswert sind auch einige andere Orte entlang der Küste. Alvor zum Beispiel ist ein ehemaliges Fischernest, das, wie so viele Orte in der Algarve, die gründliche Wandlung zum brodelnden Ferienort voller Bars und Discotheken in beeindruckend kurzer Zeit geschafft hat. Dennoch bleiben die alten, weißgetünchten Häuser und die engen, steilen Gassen. Wenn jedoch der Sommer vorbei ist und die Sonne immer noch vom Himmel brennt, verlangsamt sich das Leben hier auf das normale, beschauliche mediterrane Maß. Es gefiel uns, so gegen Mittag einfach mit einem Drink oder einem Aperitif an einem schattigen Plätzchen zu sitzen und das vorbei schleichende Leben oder die draußen auf der Lagune verankerten Yachten zu betrachten.

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Selbst Faro, die Hauptstadt der Algarve, hat, mit ihren 30.000 Einwohnern, den massiven Touristenansturm sehr gut verkraftet. Die vielen Besucher fügen sich einfach ganz von alleine im bunten und quirligen Stadtleben ein, so wie auch wir hier für ein, zwei Tage eintauchten. Von Ferne betrachtet, sieht die Silhouette von Faro zwar unschön aus, doch tatsächlich hat die Stadt viele hübsche Straßen und Plätze. Besuchen sollte man das alte Viertel, die Vila Adentro. Diese historische „Stadt in der Stadt“ liegt gleich vorne am Wasser, südöstlich des kleinen Bootshafens und wird durch das beeindruckende Tor Arco da Vila erreicht. Dieses herrschaftliche Bauwerk wurde von der Fischereigemeinschaft bezahlt und im Jahre 1814 von einem berühmten Genueser Architekten im Stil der italienischen Renaissance gebaut. Drinnen in der Vila Adentro gibt es zahlreiche weitere historische Bauten, darunter das frühere Rathaus und die Kathedrale, die einen beunruhigenden Stilmix aufweist, weil sie über die Jahrhunderte so oft umgebaut wurde – zuletzt nach dem großen Erdbeben von 1755, dem viele Bauwerke der Algarve zum Opfer fielen.

Der winterliche Luftraum über der Stadt und der angrenzenden Lagune wird übrigens von vielen Störchen beherrscht, die dann ebenfalls hier überwintern. In einer kitschigen Abenddämmerung paddelten wir in einem kleinen Boot zu einem grasbewachsenen Sandhügel in der Lagune hinaus, tranken hervorragenden portugiesischen Wein, betrachteten die Störche am Himmel und die fernen Häuser von Faro und fühlten uns hervorragend.

Tavira liegt ein Stück weiter östlich. Dieser Ort wird vom Fluss fein säuberlich in zwei Hälften geteilt und durch eine römische Brücke, die im 19. Jahrhundert stilgerecht restauriert wurde, wieder miteinander verbunden. Hier befindet sich der kleine Fischereihafen und, an beiden Ufern entlang der Piers, das eigentliche, lebendige Zentrum der Stadt. Frauen und Männer sitzen bis tief in die Nacht auf klapprigen Holzstühlen an der Pier oder in den verqualmten Bars und diskutierten über all die wichtigen Dinge, die die Welt bewegen. Los ist hier selbst im Sommer wenig, es ist eben ein friedliches und melancholisches Fleckchen Erde, terra pacta e melancolica, wie ein Italiener schon vor rund hundert Jahren befand – aber gerade darin liegt der Reiz. Und das, obwohl dies einst sogar die Hauptstadt der Algarve war. Die sich seither grundlegend gewandelt hat. Aber jetzt, im Winter, ist dieser südwestlichste Zipfel Europas nicht nur ein warmes und sonniges, sondern auch von der Atmosphäre her angenehmes Ziel.


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