Mein segelnder Buchladen des Herzens: Eine etwas andere Buchhandlung und ein kleines Interview mit mir selbst, nicht nur über den Buchladen.
Die Seite Literaturboot.de ist doch eigentlich ein Hobby, oder?
Es ist kein Hobby. Es ist eine Aufgabe, eine Berufung, also eine Herzensangelegenheit. Es vereint thematisch die Dinge, die ich liebe: Das Leben auf dem Wasser. Und vor allem: Bücher. Über beides lohnt es sich, zu berichten. Und Bücher sind so wichtig, für mich, aber auch generell.
Warum sind Bücher für mich so wichtig?
Kultur. Wissen. Inspiration und Unterhaltung, vor alle aber Wissen auch aus der Vergangenheit, aus der Geschichte, was wichtig ist um die jeweils aktuelle Welt zu verstehen und um die Geschehnisse einordnen zu können. Die Klassiker, sie unterhalten, sind spannend, aber beschreiben auch immer das Leben und die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Umstände jener Zeiten, in denen sie spielen. Bücher sind wunderbare Türen in andere Welten, viel mehr als alle bewegten Bilder oder gehörten Worte. Es hat etwas mit der introvertierten Abgetauchtheit in den Stoff zu tun, denke ich, wenn man liest. Wenn man darüber die Zeit vergisst, ebenso wie seine eigene Umwelt.
Bücher sind zeitlos und dauerhaft, die meisten halten sich einfach gut. Als ich 12 Jahre alt war, bekam ich von meinen Großeltern ein Buch geschenkt. Es heißt „The Voyage of the Geneve“, von Michel Mermod, es hat mich tief beeindruckt und steht heute noch im Regal wie so viele weitere Bücher. Es geht um die Reise eine Schweizers, der in Peru ein altes Rettungsboot in ein sehr primitives Segelboot umbaute und damit über den Pazifik und weiter bis nach Europa segelte, in den 1950er oder 60er Jahren, natürlich ohne Motor und andere Technik. Bücher prägen und inspirieren. Als junger Mann habe ich Joseph Conrad verschlungen und Hemingway, beide legten die Sehnsucht nach Abenteuer und Ferne. Später wurde es viel diverser, mit großartigen Büchern von ganz unterschiedlichen AutorInnen. Dabei entdeckte ich auch Brecht und Böll wieder, die mir in der Schule vergrämt worden waren. So viele Welten, Ideen, Bilder, Menschen, Schicksale in Büchern – Stoff für mehr als für ein Leben.
Gilt das auch für Segelbücher?
Sicher nicht für alle. Aber auch aktuell wird immer mal wieder ein lesenswertes Segelbuch geschrieben, wenn ich das mitbekomme, wird es natürlich auf Literaturboot vorgestellt. Leider wird in Bezahlverlagen, also Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht ungeprüft und unlektoriert Bücher zu drucken, solange sie nur dafür bezahlt werden, vieles veröffentlicht, was im Grunde mehr oder weniger unlesbar ist. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier.
Was sich aber immer lohnt, ist die alten Bücher zu lesen. Ein Blick zu werfen, Einsichten zu bekommen von längst nicht mehr existierenden Seglerwelten. Die frühen Reisen, von Elga und Ernst-Jürgen Koch in den 1960ern, von Bernard Moitessier und James Wharram und wie sie alle hießen… wie aufregend, wie abenteuerlich, wie exotisch. Lesen und erleben, wie es damals war. Wie es ging und was nicht ging. Natürlich eine komplett andere Welt als die der modernen Fahrtensegler von heute.
Warum gehe ich nicht auch lieber einfach nur segeln?
Ja, das tue ich ja. Ich lebe an Bord, segele, und arbeite auch hier an Bord. Das gibt mir die Perspektive für diese Arbeit, und für meine eigenen Bücher. Es wäre schwer, dies von einem festen Ort an Land aus zu tun. Und ich bin ja selbst eher nomadisch veranlagt. Ich liebe es, von Ort zu Ort zu ziehen, beziehungsweise zu segeln. Auch wenn ich hier und dort auch immer mal wieder länger bleibe, in diesem Sommer war ich fast zwei Monate auf der schönen Nordseeinsel Fanø.
Den letzten Winter habe ich größtenteils im ebenso schönen Ort Zierikzee in Zeeland, dem Deltagebiet der südlichen Niederlande, verbracht. Dann war ich längere Zeit in Amsterdam. Im vergangenen Sommer lange in der Bretagne. Und so weiter – es gibt so viele großartige Orte, an denen man leben kann. Und die vom Lebensgefühl her doch ganz unterschiedlich sind. So dass man nach einer Weile eben auch gerne mal wieder weiter zieht… Um es mit Hemingway zu sagen (aus seinem Buch: „Paris – ein Fest fürs Leben“): „Wenn der Frühling kam, selbst der trügerische Frühling, gab es keine Probleme außer dem, wo man am glücklichsten sein würde. Das einzige, was einen Tag verderben konnte, waren Menschen, und wenn man vermeiden konnte, Verabredungen zu treffen, so war jeder Tag ohne Grenzen. Menschen waren immer die Begrenzer des Glücks, bis auf die sehr wenigen, die so gut waren wie der Frühling selbst.“
Ist das Bücherschreiben nicht wahnsinnig viel Arbeit?
Auch das Bücherschreiben ist ein innerer Drang, es gibt Geschichten, die einfach erzählt werden wollen. Natürlich wäre es schön, einmal den Megabestseller zu landen, in andere Sprachen übersetzt und verfilmt zu werden, klar – gut für das Ego und vor allem für das Bankkonto. Aber viele Menschen finden ja viel effektivere Wege diese beiden sehr gut zu füttern, als das tatsächlich nicht einfache und langwierige Schreiben von Büchern. Für mich aber ist es einfach mein Ding.
Bücher sind für mich wichtig, aber an Bord kann ich nur eine begrenzte Anzahl davon mitnehmen. Warum eröffne ich nicht einen Buchladen, an Land?
Darüber habe ich oft nachgedacht und tue es immer mal wieder. Aber ich habe noch nicht den einen Ort gefunden, an dem ich auf solch endgültige Art den Anker verschlucken könnte. Zumal mein Buchladen ja in einem Land stattfinden müsste, das entweder Deutsch- oder Englischsprachig ist, für alles andere würde es sprachlich nicht reichen – ein Buchhändler sollte natürlich mit seinen KundInnen in der Landessprache über Bücher reden können. Im Falle meines Online-Buchladens funktioniert das ja, ganz gleich, wo ich mich tatsächlich gerade aufhalte.
Denn ich habe ja einen Buchladen eröffnet, vor etwas weniger als ein Jahr. Dort gibt es alle Bücher, die ich hier vorstelle, und überhaupt alle derzeit im Buchhandel lieferbaren Titel, ganz gleich aus welchem Genre. Das sind Millionen von Büchern, aus die man wählen kann, auch in meinem Buchladen, man kann ganz ungestört und so lange man möchte darin herumwandern, stöbern, schauen, lesen. Und das an jedem Ort und an jedem Tag und zu jeder Zeit, denn der Online-Buchladen hat natürlich 24/7 an 365 Tagen im Jahr geöffnet.