Abschied von Harald Mertes

Vor einiger Zeit musste ich Abschied nehmen von einem Freund, der mehr gewesen war, eher schon ein Bruder im Geiste. Ich hatte ihn schon viel zu lange nicht mehr gesehen und nun gibt es keine Gelegenheit mehr dazu. Dies war eine dieser Freundschaften, wie sie für uns segelnde, reisende so wertvoll sind, weil sie auch lange Kalmenzonen überdauern. Zeiten, in denen man sich nicht sieht. Um dann, wenn wir uns sahen, ganz selbstverständlich und natürlich wieder so herzlich zu sein wie immer.

Ich schreibe von Harald Mertes, geboren 1943, verstorben am 17. Februar 2025. Schon früh hatte ich von ihm gehört, über ihn und von ihm gelesen. Er war ja ein Kollege, als Autor und Fotograf machte er ungeheuren Eindruck auf mich jungen Kerl, der gerne einmal so erfolgreich sein wollte wie er es damals war. Er publizierte im Hamburger Verlag Edition Maritim, für den ich erste kleine Aufträge machen konnte, sein vermutlich meistverkauftes Buch „Der Koch ist Kapitän“ begleitete mich an Bord meiner ersten Boote ebenso, wie es jetzt noch im Schapp meiner derzeitigen schwimmenden Behausung steht. Das „Kochbuch aus der Dose“ war ein Bestseller und das natürlich nicht ohne Grund. Praktische und einfache, oft auch exotische Rezepte für eine Bordküche ohne Kühlschrank, ohne Mikrowelle und anderes Gedöns, mit dem sich Landbewohner in ihren Designerküchen umgeben müssen. Dazu jede Menge Spaß und Anekdoten und von jeder Seite, aus jeder Zeile wehte mir die salzige Luft der freien Ozeane entgegen, ich spürte wie ferne tropische Ankerbuchten, oder waren es vielleicht eher die imaginierten Inselschönheiten, nach mir riefen. Und das bei einem Kochbuch. Natürlich ein ganz besonderes. Phänomenal.

Abschied von Harald Mertes - Literaturboot - Autor

Harald gehörte noch zu der frühen, ersten Generation der Weltumsegler, gemeinsam mit seinem Freund Neil Hollander war er in den 1970er Jahren auf einem Schiff unterwegs, welches er, auf eine für ihn so typische Art, in Flensburg gekauft hatte. Die Geschichte dieses Schiffskaufs erzählte er mir viele, viele Jahre später und sie ging in etwa so: Damals noch ein junger, langhaariger Kerl hatte er von irgendwoher erfahren, dass ein alter, strenger und sehr konservativer Herr im hohen Norden seine Yacht verkaufen wolle, wegen Aufgabe des Segelsports. Harald stieg in seinen Citroen 2CV und fuhr mit dieser Ente den langen Weg von Koblenz nach Flensburg. Wo man ihm noch nicht einmal die Tür öffnete, angesichts seiner, sagen wir mal, lockeren Erscheinung. Vergessen wir nicht, wir hatten es damals mit den Nachwehen der 68er Revolution und mit der Hippiebewegung der 70er Jahre zu tun. Und für den alten Herrn Yachteigner verkörperte Harald genau dies.

Es ist eine lange und lustige Geschichte, in deren Verlauf Harald Briefe schrieb und wohl noch mehrmals nach Flensburg fuhr, den Eigner beschwor, dass sein Schiff es doch verdient habe, auf den Weltmeeren ausgeführt zu werden, ich weiß es leider nicht mehr so ganz genau. Aber sie hatte ein Happy End, der alte Herr schien Harald am Ende in sein Herz geschlossen zu haben, er bekam das Schiff für einen für ihn erschwinglichen, bemerkenswert freundlichen Preis und so konnten alle weiteren Dinge ihren Lauf nehmen. So unerschrocken und unkonventionell, wie Harald in seinem ganzen Wesen war, wie er das Schiff erstanden hatte und wie dann auch sein ganzes weiteres Leben verlief.

Jahre später wieder zurück in Deutschland, mit einem Seesack voller Geschichten und Erinnerungen, schrieb Harald für Zeitschriften wie „Boote“ und „Yacht“ und veröffentlichte Bücher, gemeinsam mit Neil Hollander, der nach der Segeltour als Amerikaner in Paris lebte. Zum Beispiel das Buch „Solange sie noch segeln“ über die letzten Arbeitssegler in verschiedenen Teilen der Welt, erschienen auf Deutsch 1983 bei Hoffman & Campe in Hamburg, gleichzeitig aber auch auf Französisch bei einem Verlag in Paris.

Unterwegs auf ihrer Reise hatten Neil und Harald sich auch mit Bernard Moitessier angefreundet. Als Bernard in einer Ankerbucht in Kalifornien sein Schiff „Joshua“ verlor, flogen sie hin um ihm zu helfen – denn Bernard wollte sich gleich das nächste Schiff bauen, die „Tamata“, ebenfalls aus Stahl und Harald schrieb auch darüber. Zu seinen Freunden konnte er auch Thor Heyerdahl und Jacques Cousteau zählen. Noch viel später arbeiteten wir immer mal wieder zusammen, Harald als Fotograf und ich als Autor, mehrmals an der Côte d’Azur wo wir immer enorm viel Spaß hatten. Und genau deshalb auch beste Arbeit abliefern konnten.

Wir teilten viele Vorlieben. Harald war ein ausgezeichneter Autor und Fotograf. Vor allem war er ein sehr liebenswerter Lebenskünstler im allerbesten Sinne, allem Genuss zugetan, liebte Frauen, Wein, gutes Essen, denn natürlich war er auch ein ganz hervorragender Koch aus Leidenschaft. 2020 heiratete er seine wunderbare Frau, Angela, die beiden waren zu dem Zeitpunkt schon an die 20 Jahre oder länger glücklich zusammen.

An Land wandte er sich einem anderen Bereich zu, wie immer mit Stil und Verve, und als er mir seine Oldtimerwerkstatt zeigte, die wunderbaren alten Autos, die dort standen und darauf warteten, von ihm wachgeküsst zu werden, war ich wieder einmal beeindruckt. Auch im Motorsport war er als Journalist unterwegs, das allerdings war dann nicht mehr so ganz meine Welt. Aber seine eigenen Automobilklassiker fand ich großartig.

Abschied von Harald Mertes - Literaturboot - Autor

Harald wird fehlen in dieser Welt. Nicht nur Angela, nicht nur seinen Freunden. Sondern als Mensch, der die Welt ein Stückchen lebenswerter machte. Als lebensfroher Genießer, als unabhängiger Geist, mutig und fröhlich und immer sehr humorvoll. Einer, der aus dem Spießertum hervorstach, natürlich, aber nicht nur dort. Harald hat, wie kaum ein anderer, den ich kenne, das Leben gefeiert. Und alleine damit ein leuchtendes Beispiel gesetzt.

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2 Antworten

  1. Danke für dieses schönen Nachruf auf Harald, Er hat mich jahrelang begleitet, mit guter Laune und stürmischer Energie. Er war auch mit Elisabeth Meyer befreundet, und ich denke jetzt an ein Abendessen mit ihr und Harald im Salon der „Endeavour “ in English Harbour, mit Silberbesteck und Kerzen. Auch ich habe ihn aus den Augen verloren, die Erinnerungen an ihn aber nicht.

    Marianne Nissen
    PS: Der Flensburger hieß glaube ich Harald Dencker, er war ein Freund meines Vaters A.G.Nissen.

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Detlef Jens – Im Kielwasser des Geldes. Ein Segel-Krimi aus Hamburg
Detlef Jens – Gefährliche Gezeiten. Ein Segel-Krimi aus der Bretagne
Detlef Jens – Black Jack. Ein Segel-Krimi
Detlef Jens – Hafenjahre, Leben an Bord
Detlef Jens - Land's End. Ein Segelbuch über das Leben an Bord

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