Segeln in der Bretagne ist eine Herausforderung. Aber auch ein Fest für alle Sinne. Und es gibt sogar überraschend geschützte, idyllische Ort inmitten ländlicher Idylle, die man auf eigenem Kiel ansteuern kann.
Von See kommend, erfordert es schon einiges an Entschlossenheit, oder auch Nerven, sich allzu nah an die Küste zu wagen. Hinein in das Labyrinth der Felsen und Eilande, Untiefen und Strömungen. Tatsächlich verwandeln sich bei Niedrigwasser weite Flächen glitzernden Wassers in eine bizarre Mondlandschaft aus scharfzackigen Felsen: Bis zu zehn Meter Tidenhub machen es möglich. Allerdings, es gibt einige unkomplizierte und gut betonnte Ansteuerungen, wie etwa die in den Fluss Le Trieux und zur Ile de Bréhat, welches gleichzeitig eine der bezauberndsten Inseln der Nordbretagne ist. Natürlich ist sie auch entsprechend beliebt, aber das tut der Schönheit in diesem Fall keinen Abbruch.
Eigentlich ist die Ile de Bréhat es zwei Inseln, die im weiten Mündungsbereich des Rivière de Trieux liegen, doch diese wurden im 18. Jahrhundert durch eine schmalen Damm miteinander verbunden. Westlich davon entstand dadurch die geschützte Bucht von La Corderie. Wir wagen uns nicht dort hinein, denn die weiter drinnen liegenden Boote liegen schräg auf der Seite, kreuz und quer in dem bei Ebbe trockenen Becken herum. Nur einige wenige halten sich dank ihrer Wattstützen aufrecht. Doch gleich am Anfang der Bucht, nicht weit neben dem Fahrwasser, bleibt es auch für unsere 1,65 Meter Tiefgang selbst bei Niedrigwasser noch tief genug, dass wir, an einer der dort liegenden Mooringtonnen, schwimmen bleiben. Bei ruhigem Wetter ein wunderbarer Platz, bei auffrischendem West- oder Nordwestwind hingegen schnell ungemütlich. Dann kann man aber, dazu gleich mehr, jederzeit flussauf gehen und perfekten Schutz finden.
Angekommen waren wir, aus Cherbourg kommend, in einem herzzerreißend wunderbaren Sonnenaufgang bei Niedrigwasser. Auch wenn die dunklen Felsen ringsum zackig aus dem Waser ragten, war es sehr praktisch – ersparte uns das doch die umständliche Rechnerei der Gezeitenhöhen. Wer bei Niedrigwasser noch schwimmt, tut dies bei Hochwasser ja vermutlich erst recht.
Die Insel selbst wirkt wie eine Spielzeuginsel. Alles scheint ein etwas zu klein geraten zu sein, die winzigen Sandstrände, die schmalen, gewundenen Wege, der niedrige Leuchtturm Rosedo. Verwunschene Häuser verstecken sich unter niedrigen Bäumen und hinter dichten Büschen, die meisten davon sind Feriendomizile wohlhabender Festlandsfranzosen. Das Klima wirkt fast subtropisch. Überall wachsen Pinien, Mimosen und Eukalyptusbäume.
In starkem Kontrast zu der wirklich rauen Küste mit oft heftigem Schwell und Seegang schon bei moderatem Wind stehen die Flüsse der Nordbretagne. Einige davon sind mehrere Meilen weit hinauf befahrbar, hinein in eine idyllische und ländliche Bretagne. Dies ist die andere Seite der Medaille, es ist wie eine andere Welt, aber von See aus sehr schnell erreichbar. Besonders attraktiv sind der bereits erwähnte Fluss Trieux, der von einer Yacht mit bis zu zwei Metern Tiefgang und stehendem Mast bis Lézadrieux befahrbar ist, oder Le Jaudy, an dessen schiffbarem Ende das bezaubernde Städtchen Tréguier wartet. Wie beruhigend ist es doch, einige Tage in einem dieser Flüsse zwischen grünen Hügeln auf stillem Wasser zu ankern, oder in einem der Häfen zu liegen – ganz gleich, wie sehr es an der Küste oder auf See auch stürmen mag.
Auch der Fluss Jaudy hat eine einfache Ansteuerung, gut betonnt ab der Tonne Basse Crublent. Im Mündungsbereich kann man bei ruhigem Wetter innerhalb wunderbarer Szenerie ankern, entweder um auf die passende Tide für den Trip flussauf zu warten, oder auch als Lunch- oder Badepause. Weiter flussauf gibt es etliche Mooringtonnen, aber es verbleibt noch genug Platz um auch vor dem eigenen Anker zu liegen. Etwa fünf Seemeilen oberhalb der Mündung ist ein kleine, freundlicher Yachthafen. Der historische Ort Tréguier liegt auf einem Hügel oberhalb davon, doch es lohnt sich, diesen zu erklimmen. Kleine Gassen, Fachwerkhäuser und eine Kathedrale zeugen von der Vergangenheit; viele Buchläden und Galerien von der starken kulturellen Szene innerhalb der Stadt. Schon ab dem 14. Jahrhundert sollen sich Künstler und Kunsthandwerker hier niedergelassen haben, die meisten Häuser stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, der Blütezeit der Stadt.
Uns interessiert dann aber doch mehr die Gegenwart. Und alles das, was die Bretagne auf dem Weg nach Westen noch so zu bieten hat. So trödeln wir gemächlich von einem Hafen zur nächsten Ankerbucht oder Flussmündung. Monate könnte man hier verbringen – und das habe ich auch vor. Denn neben den beseelenden Land- und Seeschaften locken hier ja auch noch die unendlichen Variationen essbaren Meeresgetiers, mit und ohne Schalen, die mit dem frischen und köstlichen Muscadet aus dem Tal der Loire heruntergespült werden wollen. Entweder in netter Gesellschaft an Bord, oder in einer der zahllosen Restaurants, Bars oder Bistros die fast jede Wasserfront rund um die Häfen säumen. Das Leben in der Bretagne, es ist einfach wunderbar. Und vielfältiger, als man denken könnte. Doch dazu bald mehr an dieser Stelle.
Empfohlene Literatur und Handbücher:
Secret Anchorages of Brittany – Peter Cumberlidge
Cruising West France – Peter Cumberlidge
Reed’s Nautical Almanac, Jahresaktuelle Ausgabe
The Shell Channel Pilot – Tom Cunliffe