In Frankreich beste Hafenkneipen zu küren oder auch nur aufzulisten wäre ein Ding der Unmöglichkeit. In eigentlich jedem größeren Hafen gibt es etliche Bars, Bistros und Restaurants, meistens wunderschön aufgereiht wie Perlen auf der Schnur entlang der Wasserfront. Und obwohl oft touristisch (nicht immer), ist kaum eine davon wirklich schlecht, und die meisten haben eben doch das, was ich andernorts so oft vermisse: Charme, Charakter und, vor allem, zwar zuweilen auch unkompliziertes, aber dafür sehr gutes Essen und eine Weinkarte, durch die ich mich von oben nach unten hindurch und wieder zurück trinken könnte – wenn ich es könnte …
Der Hafen von Camaret, bei Brest. Bild oben: Eingangsbereich des „Tour du Monde”
Dann aber gibt es noch das „Tour du Monde“, direkt an der Marina Moulin Blanc in Brest: eine Institution. Ach was, eine Legende. Weil schon 1993 von eben einer höchst lebendigen Legende und seiner Crew gegründet. Olivier de Kersauson, berühmt als Rekordsegler und, in Frankreich, auch als Schriftsteller des Meeres und TV-Talker, hat sich hier höchst erfolgreich als Gastronom engagiert. Mittlerweile ist er 80 und schon lange nicht mehr aktiv im „Tourdum“, wie der Laden – liebevoll abgekürzt – gerne genannt wird. Aber die Legende lebt, soviel ist sicher. Der Laden brummt, Abend für Abend im Sommer und sicher auch an vielen Winterabenden. Und das trotz, oder vermutlich genau wegen der sehr einseitigen Speisekarte. Bei meinem ersten Besuch in den 1990er Jahren gab es hier genau drei Gerichte: Moules Frites, und zwar Marinieres, à la Crème oder au Curry. Nun, bei meinem Besuch vor wenigen Tagen, hatte sich Erstaunliches getan: Es gibt jetzt auch Fish & Chips, einige Kindergerichte und Bara’tine, köstliches bretonisches Bruschetta mit verschiedenen Belägen, diese aber leider nur unter Woche mittags.
Muscheln mit „Zubehör” auf der Terrasse des Tour du Monde und der Hafenblick von derselben
Alles andere ist aber, gottseidank, unverändert geblieben. Die fantastische Lage am Hafen, die große Terrasse mit weitem Blick über die Rade de Brest. Die gute Stimmung, die köstlichen Weine und viele andere Getränke, denn das Tourdum ist auch gerne einfach „nur“ eine Bar. Das Publikum ist bunt gemischt, von durstigen Seeleuten bis zu fröhlichen Familien. Die Moules sind immer noch wunderbar, vor allem, wenn man die in der Abendsonne mit einer Flasche gut gekühlten Weißweins etwa aus der Gascogne in aller Ruhe genießt …
Bar und Innenbereich des Tour du Monde
Der einstige Patron jedoch lässt sich wohl kaum noch hier sehen. Olivier de Kersauson, Spross einer alten bretonischen Adelsfamilie, die laut Wikipedia „zu den bedeutenden Familien alter französischer Marinegeschichte seit Ludwig IX“ zählt, stellte 1989 einen neuen Rekord der „Tour du Monde en solitaire“ (Einhand-Nonstop-Weltumsegelung) auf, mit einem 23-Meter Trimaran in 125 Tagen, 19 Stunden und 32 Minuten. 1997 gewinnt er auf dem 27-Meter Trimaran „Sport-èlec“ die Jules Verne Trophy in 71 Tagen, 14 Stunden und 22 Minuten und 2004 noch einmal, mit der legendären Geronimo in 63 Tagen, 13 Stunden und 59 Minuten. Weniger bekannt sind seine Erfolge bei der Transpac von Los Angeles nach Honolulu (in vier Tagen, 19 Stunden und 31 Minuten) oder sein Rekord auf der knapp 4500 Seemeilen langen Strecke San Francisco – Yokohama (14 Tage, 22 Stunden und 40 Minuten) sowie einige Wochen später auf derselben Strecke zurück in 13 Tagen, 22 Stunden und 38 Minuten.
Olivier de Kersauson (Wiki)
Von seinen zahlreichen Büchern ist leider keines ins Deutsche übersetzt. Das ist schade, denn er ist auch bekannt für seine „scharfe, zynische und humorvolle“ Sprache, weswegen er in Frankreich auch einige Berühmtheit als Fernseh-Persönlichkeit erlangte. Wie schön, dass er uns bei allen seinen Aktivitäten und Erfolgen auch eine so schöne Hafenkneipe wie das „Tour du Monde“ in Brest „geschenkt“ hat …