Die Schären an der Westküste Schwedens sind eines der schönsten Segelreviere der Welt. Im Sommer. Aber selbst jetzt, im Herbst und sogar noch im tiefsten Winter, hat diese Inselwelt seine ganz delikaten Reize. Ende September beginnt die Hummersaison. Leider darf kein Ausländer ohne Begleitung eines Schweden das „schwarze Gold des Meeres“ fischen. Also bieten immer mehr Hotels entlang der Küste in Zusammenarbeit mit den lokalen Fischern Hummer-Safaris an. Zum Beispiel im schönen, kleinen Hotel „Handelsman Flink“, wo man mit dem Koch und dessen Motorboot auf Hummerfang gehen kann. Oder ein Hummerwochenende auf Schwedens westlichsten Inseln, den Väderöarna, bei dem die Gäste den Hummer gemeinsam fangen, kochen und natürlich auch genießen. www.vastsverige.com
Schneidend kalt ist die Luft, die See liegt grau und abweisend da, die Schären ragen schwarz und kahl daraus hervor, fahl und blass ist auch das Licht der hinter einem Wolkenschleier versteckten Sonne. Eine Welt in trüben Grautönen, im Dämmerzustand. Dennoch ist es im winzigen Steuerhaus des alten Kutters Ariadne wohlig warm und gemütlich. Der alte Schwede grinst zufrieden, sein zerknittertes Gesicht strahlt. Denn der typische Geruch nach Diesel, Fisch und Bilgewasser mischt sich mit dem herrlichen Duft frischen, heißen Kaffees, von dem er laut schlürfend einen genießerischen Schluck nimmt, während wir über das stille Wasser hinausfahren.
Gewisse Dinge kann man nur zu bestimmten Zeiten im Jahr tun. Hummer fangen in Schweden, zum Beispiel, das geht leider nur im Winter. Nun kennen wir die schwedischen Westschären im Sommer als eines der schönsten Segelreviere der Welt. Woran wir dann nicht denken sind die Köstlichkeiten, die unter Wasser, in dunklen Felsspalten, heranreifen. Das »schwarze Gold des Meeres« nennen die Leute hier ihre Hummer, und Recht haben sie.
Fotos: Fredrik Broman / visitsweden
Jetzt sind wir unterwegs von der Insel Resö aus, die liegt mitten in den Schären nördlich von Grebbestad. Am Ruder steht der alte Schwede, seines Zeichens Schipper und Fischer. Fröhlich und lustig ist er, mit seinen Bartstoppeln und Gesichtsfurchen und schlechten Zähnen, die er beim Lachen oft zeigt. Leider spricht er nur Schwedisch, und zwar eines, das selbst seine Landsleute hier an Bord anscheinend nur schwer verstehen. Denn das sind zwei Städter, aus Göteborg. Der vierte Gast an Bord ist ein Engländer. Exzentriker, natürlich, denkt man da sofort. Wer sonst käme auch auf die Idee, mitten im Winter ausgerechnet hierher zu kommen?
Käriggön im Winter. Foto: Per Pixel Peterson/visitsweden
Genießer und Kenner sind es. Es gibt kaum etwas Schöneres als einen stillen, geheimnisvollen Wintertag in den äußeren Schären zu erleben (abgesehen natürlich von einem fröhlichen unbeschwerten Sommertag). Vor allem, wenn man dies in einer ebenso stilvollen wie komfortablen Unterkunft genießt. Die befindet sich hier in einer alten, hölzernen Dorfschule und heißt »Resö Konferens & Logi«, und im Winter finden hier die sagenhaften Hummerwochenenden statt.
Auf Resö beginnt das Wochenende am Freitagabend stilvoll mit einem ausgiebigen, romantischen Abendessen bei Kaminfeuer und Kerzenschein. Vor der Seefahrt am nächsten Morgen kann man sich dann noch einmal am reichhaltigen Frühstücksbuffet stärken, was sich für die meisten Gäste jedoch nur lohnt, wenn die See ruhig ist. Fischkutter stinken und schaukeln ganz enorm, anders als alles, was wir von unseren Yachten gewohnt sind. Und nur wenige Hummergäste erweisen sich bei rauem Wetter dann noch als Seefest…
Am ersten Montag nach dem 20. September beginnt jedes Jahr die Hummersaison, und sie dauert bis in das nächste Frühjahr hinein. Reusen dürfen jetzt ausgelegt und geleert werden, pro Fischer maximal 14 Stück. Jeder hat so seine Ecken, wo er sie auslegt, aber die sprechen sich schnell herum und abgesteckte Claims gibt es keine. Streng reglementiert ist die Suche nach dem »schwarzen Gold« dennoch: Jungtiere, kürzer als acht Zentimeter, müssen auch in der Fangsaison wieder frei gelassen werden, trächtige Weibchen ebenso. Die Boote der Fischereiaufsicht kontrollieren, die Strafen sind empfindlich, doch die meisten Fischer halten sich schon aus eigenem Interesse an der Erhaltung der Bestände an die Regeln.
Zurück auf See, sind wir bei den ersten weißen Bojen angekommen, welche die Hummerkörbe markieren. Zwischen zwanzig und dreißig Meter tief liegen die und es ist schon eine mühsame, kalte und nasse Arbeit, die käfigartigen Fallen an die Oberfläche zu hieven. In vielen haben sich leider nur Krebse angesammelt, aber ab und zu sitzt tatsächlich eines der schwarzen Krustentiere drin. Den muss dann jedoch der alte Schwede aus dem Körbchen holen, denn die Biester schnappen gefährlich mit ihren kräftigen Scheren um sich. Mit Gummibändern, die ihnen um die Kneifer gewickelt werden, entschärft der Schipper die Tierchen sofort.
Nach einigen Stunden auf See haben wir genug Hummer für den Abend und sind froh, endlich wieder die Insel Resö und das Hotel ansteuern zu können. Und haben eine leise Ahnung davon bekommen, wie mühsam die Arbeit der Fischer tatsächlich ist, zumal diese sich am Ende eines anstrengenden Tagewerks normalerweise nicht unbedingt im Luxushotel entspannen dürften.
Seafood mit Blick. Foto: Henrik Trygg / visitsweden
So, wie im »Handelsmann Flink« etwa. Dieses kleine Hotel liegt auf der ebenso kleinen Insel Flatön, direkt neben der Bootsbauerinsel Orust, welches ja die Heimat von Hallberg-Rassy, Malö, Najad und einigen anderen Werften ist. Der frühere Kaufmannsladen, der »Handelsmann Flink« eben, wurde liebevoll restauriert, dazu in idyllischer Lage direkt am Wasser mehrere Holzhäuser errichtet in denen sich heute eine Handvoll Hotelzimmer, eine Sauna und ein in ganz Schweden berühmtes Feinschmeckerrestaurant befinden. Natürlich werden auch hier »Hummersafaris« angeboten, die Gäste fahren mit dem Chefkoch höchstpersönlich und dessen eigenem Boot zu den Hummerkörben hinaus. Wobei man so ganz nebenbei viele nützliche Dinge lernt. Das der schwedische Hummer zwar kleiner sei als seine Verwandten aus dem Atlantik, dafür aber auch sehr viel besser schmecke. Das die Hummer nur langsam heranwachsen und dass ihnen dabei in regelmäßigen Abständen der Panzer zu eng wird. Den sie deshalb ablegen und sich dann, nackt und schutzlos, verstecken bis ihnen eine neue Rüstung nachgewachsen ist. Und die nimmt die Farbe des Verstecks an; da sich die Hummer bevorzugt in Felsspalten oder unter Tang tarnen, sind sie in aller Regel schwarz.
Am Nachmittag erholen wir uns in Sauna und Whirlpool mit Meerblick, bevor es zum abendlichen Höhepunkt kommt: Gemeinsam mit dem Koch dürfen wir unseren Fang für das Dinner zubereiten. Auch dabei lernen wir, nicht nur ein köstliches Rezept für eine feine Sauce, sondern auch etwas über die Zubereitung der Tierchen selbst. Hummerfleisch sei sehr leicht verderblich, wird uns eingeschärft. Wir sollten also niemals einen Hummer verzehren, den wir zwar nicht unbedingt selbst aus dem Meer gezogen haben müssen, aber zumindest nicht vor der Bestellung noch lebend gesehen hätten.
Das „schwarze Gold“… Foto von Henrik Trygg / visitsweden
Das Kochen der köstlichen Krustentiere wirkt, für uneingeweihte, schlicht bestialisch und durchaus Appetit hemmend: Kopfüber werden die lebenden Tiere in kochendes Wasser gestülpt. Es pfeift im Kochtopf, und nicht nur zarte Gemüter meinen voller Entsetzen, jetzt die Schmerzensschreie der gequälten Geschöpfe hören zu müssen. Der Koch beruhigt uns: Das Pfeifen seien lediglich Gase, die beim Kochen entstehen und aus dem Panzer entweichen. Und im Übrigen seien die Nerven der Hummer so stumpf, dass sie keinerlei Schmerz empfinden würden. Denn falls ein Hummer im Kampf oder als Unfallfolge eine Schere verliere, merke er das noch nicht einmal. Und würde dann einfach darauf warten, dass eine neue nachwächst. Mit dem köstlichen Duft, der bald in unsere Nasen steigt, wächst bei uns auch dank dieser beruhigenden Information vor allem der Appetit auf dieses selbst gefangene Abendessen.