Die Pläne von Segelnden werden bei Niedrigwasser in den feuchten Sand geschrieben. Man kennt das ja auch als Landmensch, das Leben passiert, während man andere Pläne macht. Als See- oder Bootsmensch ist das noch eine Stufe krasser, denn neben all den Imponderabilien des normalen Lebens kommen hier, mindestens, noch die Launen des Wetters hinzu. Gewinner ist, wer sich soweit aus dem alltäglichen Verpflichtungen des Landlebens hat lösen können, dass genug Zeit da ist, um immer auf das richtige Wetter zu warten – das ist ja das ganze Geheimnis der Langzeit-segelnden. Im letzten Jahr schon wollte ich nach Utsira, an der Westküste von Norwegen. Aber in der ersten Sommerhälfte, in welche die paar mageren Wochen fielen die ich mir für meinen Törn hatte freischaufeln können, wehte es kontinuierlich und heftig aus Nordwest. Bis in den Limfjord waren wir gekommen, aber dann war Schluss. Keine Lust und keinen Sinn, bei NW 6 und teils viel mehr über die Nordsee gegenan zu der notorischen Leeküste nordwestlich vom Kap Lindesnes zu segeln. Als ich dann, mit meinen Töchtern in den Schulferien, nach Kopenhagen segelte, brach der Sommer endlich aus. Macht ja nichts, schön war auch das.
In diesem Jahr sind wir, zwei meiner wunderbaren Kinder und ich, im Mai schnell nach Norwegen gesegelt. In wenigen Tagen, innerhalb einer knappen Woche von Flensburg bis Kristiansand, inklusive eineinhalb Tage in Skagen, die wir genossen, während wir auf das Durchziehen einer angekündigten Wetterfront gewartet haben.
In einer kleinen Ankerbucht in den Schären bei Kristiansand trafen wir liebe Freunde wieder, die schon Wochen zuvor los gesegelt waren, mit viel mehr Zeit, und gemütlich die Küsten von Schweden und Norwegen bis hierher gesegelt waren.
Wir hätten ja abfallen können … Foto: Ole Jens
Aufwachen in Norwegen: Es ist alles so weit weg. Alles, was mir vor drei Tagen noch solche Sorgen bereitet hatte, spielt keine Rolle mehr. Endlich lebe ich wieder. In der Gegenwart, das ist das Einzige, was zählt. Der Wind ist kalt aber bringt uns nach Westen. Es ist Mitte Mai, hier im Norden ist es sowieso noch kalt, aber das spielt keine Rolle. Die Nacht ist kurz, es wird kaum richtig dunkel. Schlimm ist der Seegang hier im Skagerrak, das Schiff segelt schnell, vielleicht zu schnell, und immer wieder rumst und kracht es in eine Welle, dass es nur so scheppert. Aber wir sind übermütig, ich bin es, wir wollen nach Westen, zur Südwest-Spitze Norwegens, sind dort verabredet. Sonst könnten wir ja abfallen und die Schoten fieren und schnell und vor allem gemütlich nach Norden segeln, nach Langesund oder Risør, was macht das schon, wenn man unterwegs ist und frei.
„Slisand Lady“ und „Youkali“ in Hille, Südnorwegen
Dann waren wir also in Norwegen und meine Kinder mussten zurück nach Hause, per Schnellfähre von Kristiansand. Ich war wieder alleine an Bord, zum Glück aber noch zusammen mit meinen Freunden Katharina und Andreas und ihrer „Slisand Lady“. Einige Tage noch bummelten wir durch die Schären, lagen mal in einer Bucht der Insel Hille, mal in Ny Hellesund, dann in Mandal. Dann der nächste Abschied. Die beiden wollen weiter, an die Westküste und nach Norden, dann abbiegen Richtung Schottland und schließlich, für den Winter, in den Süden. Ich habe mich noch nicht soweit gelöst, nicht von meinen Kindern und nicht von anderen Verpflichtungen und hier in der Region rund um Mandal muss ich erst einmal arbeiten. Artikel recherchieren und schreiben über diese wunderbare Gegend rund um das Südkap Norwegens. Dann, ohne Schiff, für zwei Wochen zurück und schließlich, endlich, wieder an Bord.
Leuchtturm am Kap Lindesnes
Das ist dann Mitte Juni, ich habe also noch fast den ganzen Sommer vor mir. Pläne? Halte ich so vage wie nur möglich. Mandal, wo mein Schiff auf mich gewartet hat, ist strategisch ideal gelegen – ich kann, je nach Wetter, Laune und ob alleine oder mit Begleitung, von hier aus in alle Richtungen segeln. Nord: An die Westküste. Süd: Nach Thyborøn und in den Limfjord oder weiter über die Nordsee. Ost: Die Südküste Norwegens entlang bummeln oder nach Skagen. Easy come, easy go: Diesmal segele ich dorthin, wohin der Wind mich weht. Schreiben kann ich an Bord ohnehin am besten. Vielleicht komme ich dann auch endlich dazu, mich wieder mit dem nächsten Fabian Timpe Yachtkrimi zu beschäftigen. Der ist zwar, wenn ich mich recht erinnere, am Ende des dritten Bandes (Im Kielwasser des Geldes) mit seinem Sohn nach Norwegen gesegelt, aber der Schauplatz jetzt wird ein anderer sein.
Als Liveaboard lernt man, flexibel zu sein. Und sich auf neue Situationen einzulassen und das Beste draus zu machen. Ein Problem ist das nur, wenn du kein Liveaboard bist…