Als ich hörte, dass der Verlag millemari das Buch „Storm Tactics Handbook“ von Lin & Larry Pardey in einer deutschen Übersetzung herausgebracht hatte, war ich hocherfreut. Immerhin ist dies einer der echten Klassiker der „Sturm-Literatur“ – ebenso, wie das immer wieder zitierte Standardwerk zum Thema, „Heavy Weather Sailing“ („Schwerwettersegeln“ auf deutsch) von Adlard Coles und Peter Bruce, oder „Surviving the Storm“ von Steve Dashew. Sowie das deutsche Buch „Im Sturm“ von Heide & Erich Wilts.
Das Handbuch Sturmtaktik ist allerdings etwas anders gewichtet, als die anderen eben genannten Werke. Der Untertitel des amerikanischen Originals macht das schon deutlich: „Modern Methods of Heaving-to for Survival in Extreme Conditions“: Es geht hier vor allem und fast ausschließlich um das Thema Beidrehen auf See. Der deutsche Untertitel „Sicher segeln unter extremen Bedingungen“ ist da schon eher ein wenig irreführend.
Aber das nur nebenbei. Das Buch selbst ist klasse. Es ist so etwas wie Larry Pardeys ganz persönliche Manifest für das Beidrehen. An dieser Stelle taucht unweigerlich die Frage auf: Ein ganzes Buch über ein so simples Manöver?
Aber ja. Es gibt unendlich viele Methoden, beizudrehen, die alle je nach Boot, aber auch den tatsächlich herrschenden Bedingungen variieren. Und nicht immer dreht man zum Überleben eines Sturmes bei, viel öfter aus ganz einfachen Gründen – eine kleine Pause auf See zu haben. Um in Ruhe zu kochen, essen, schlafen, navigieren, oder etwas zu reparieren. Und vielleicht auf die richtige Tide oder das nächste Tageslicht zu warten, bevor man sich einer Küste oder einem Hafen nähert. Ein wunderbares Manöver, das jeder Fahrtenseglerin im festen Repertoire haben sollte: Mit dem eigenen Boot geübt und erprobt.
Wie es geht und auf welche Arten, mit welchen Segeln oder in welchem Winkel zu Wind und, vor allem, Wellen; alles das können Sie in diesem Buch nachlesen. Ob mit oder ohne Treibanker, auch das ist so eine Frage, und welche Erfahrungen nicht nur Lin und Larry selbst, sondern auch andere damit gemacht haben. Es gibt Fragen und Antworten und Checklisten und vieles mehr. Alles das von Lin Pardey in ihrem charmanten, unaufgeregten Stil sehr lesbar aufgeschrieben und damit ein Buch, das ich hier wärmsten empfehlen kann.
Allerdings, eine kleine „Warnung“ muss wohl sein. Wer sich in alle oben genannten und vielleicht auch noch weitere Bücher zum Thema Sturmsegeln vertieft, wird bald bemerken, dass es hier und da widersprüchliche Aussagen gibt. Heide und Erich Wilts zum Beispiel, die ebenso wie Lin und Larry über einen unglaublichen seglerischen Erfahrungsschatz verfügen, sehen das Beidrehen zumindest kritischer. Und das ist nur ein Beispiel von mehreren. Die einzige Wahrheit zum Thema scheint hier also zu sein, dass es diese eine, allgemein gültige Antwort eben nicht gibt. Zu unterschiedlich sind die Yachten, die Crews, die Bedingungen. Umso mehr lohnt es sich, verschiedene Bücher zu lesen, sein Bewusstsein für die Probleme zu schärfen und verschiedene Ansätze und Sturmtaktiken zumindest theoretisch zu kennen.
Mehr über Lin und Larry Pardey hier auf Literaturboot.de
Zur Literaturboot-Rezension von „Im Sturm”, Heide & Erich Wilts