Eine Welt am Fluss, die Welt in einem Dorf. Das Dorf ist der Hamburger Edelvorort Blankenese, ein altes Fischer- und Lotsendorf, das ob seiner pittoresken Anlage zu einem bevorzugten Wohnort des hanseatischen Establishments wie der Neureichen geworden ist. Hier wohnen noch Lotsen und Handwerker, aber auch die Chefredakteure, Bankvorstände, Großindustriellen und Erben. Heißen sie nun Aust, Hinneberg oder Reemtsma. Hier wohnen die Sammler von Oldtimern, die Yacht-besitzer und Reeder der vorbeiziehenden Großschiffe. Der Ort verfügt über eine einzigartige landschaftliche Lage, liegt über sieben Hügel gewellt am Ufer des großen Stroms Elbe, genau dort, wo er sich erstmal auf über zwei Kilometer Breite weitet. Architektonisch ist dies ein Ort der Individualität, kein Haus gleicht dem anderen. Hier sind Familien mit Tradition zuhause.
Diese Situation greift Norbert Klugmann in seinem Spannungsroman RIVER auf. Das aktuelle Geschehen im Jahr 2015 ist durchwebt von gelebten Zeiträumen, die 40, 50 und auch 60 Jahre zurückliegen. Der verschwundene Reeder ist fast 100 Jahre alt. Die Amerikanerin Sidney hat hier vor 40 Jahren ihre allerersten Jahre verbracht. Viele Lebenslinien haben hier ihren Anfangspunkt, entstammen diesem Kiez, sind wirtschaftlich oder in Leidenschaften verbunden (gewesen). Der Reeder hatte mehrere Liebschaften mit leiblichen Folgen. Ein Ereignis, ein Attentat der RAF, hat Mitte der 70er Jahre das Dorf verändert, die Lebenslinien verändert. Bewusst und unbewusst ragen die früheren Ereignisse in die Gegenwart hinein. Die RAF-Attentäterin stammt aus dem Viertel, nicht alle wissen, dass sie mit ihr familiär verbunden sind. Tot oder lebend – von dem (weiteren) Lebensweg der Attentäterin wissen nur wenige – es ist jetzt Zeit, dass sich Dinge klären. Die Lebensalter der Protagonisten erfordern es. Hauptprotagonistin Sidney steht im Zentrum eines Geschehens, dessen Verbindungen zu ihr sich erst langsam zeigen.
Ein paralleler Handlungsstrang betrifft zwei Züricher Galeristen, deren einer aus dem ‚Treppen-viertel‘ stammt, der andere hat einen finanziellen Coup gestartet, der Fragen nach dem Umgang mit wirklich großen Mengen Geldes stellt, nach den Möglichkeiten der Kunst demgegenüber, letztlich die alte Frage von ‚Geld oder Leben?‘ stellt. Und auf eine manchmal geradezu naive Art damit die zentralen Fragen der (feinen) Hamburger Gesellschaft spiegelt oder überhaupt erst thematisiert.
Nicht zuletzt spielt der Fluss selbst eine, wenn nicht die Hauptrolle. Er ist der Träger der wirt-schaftlichen wie der lebensweltlichen Dimension. Das große Förderband des Kapitalismus zieht täglich an den Fenstern des Ortes vorbei. Nach der Ebbe kommt die Flut im uralten Takt, und am Ufer des Flusses sind sie seit Jahrtausenden ansässig: Die Toten und die Lebenden.
Thriller, Wirtschaftskrimi, Gesellschaftsroman. Mit einem Schuss Nature writing. Die vielschichtige Anlage des Romans spiegelt den Reichtum des Ortes, seiner Möglichkeiten und seiner Bedingungen wieder.
Die Fortsetzungen der Trilogie – SEA. Die Lebenden und LAKE. Die Toten – erscheinen im Herbst 2021 und Herbst 2022.