Wer macht denn so was? Auf einem Boot leben und ständig herumsegeln, sonnengebacken und ölverschmiert am Steuerrad lehnen, Geschirrtücher statt Strandlaken von der Reling flattern lassen. Und was sind das überhaupt für Leute? Schmuggler, Millionäre oder Spinner? – Das frage ich mich immer, wenn ich den Yachten mit Flaggen ferner Länder zuschaue, wie sie vor Sonnenuntergang in den Hafen schippern. Einer von diesen Leuten ist jedenfalls Detlef Jens, Segeljournalist und leidenschaftlicher Liveaboard. Einer von denen, die das Land am liebsten vom Meer aus sehen. Viele Jahre lang ist er mit verschiedenen Booten unterwegs gewesen, in der Karibik und entlang der europäischen Küsten. Die Highlights seiner Atlantik-Törns beschreibt es jetzt in Land’s End.
Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, denn das Buch ist eine sehr gelungene Mischung aus Reiseberichten (gespickt mit nützlichen Infos zu Segelstrecken und Anlegeplätzen) und stark erzählten, fast filmreifen Abenteuern. Von Emden über Amsterdam, London, durch den Golf von Biskaya bis hinunter nach Portugal und Marokko führt die Route. Dazu kommen Abstecher nach Cannes und Malta. Allerdings verzichtet der Autor auf eine festgefügte Chronologie der Ereignisse, weswegen der Erzählfaden ihm schon mal locker aus der Hand gleitet und an einem anderen Schauplatz plötzlich weiter verläuft. So überlegt man beim Lesen ab und zu auch, auf welchem Boot und mit welcher Frau der Skipper denn da gerade segelt. Aber gut, Land’s End soll ja weder ein Fahrtenprotokoll noch ein Beziehungsroman sein, sondern eine autobiografische Reise-Erzählung. Dazu hat Detlef Jens seine prägendsten Erlebnisse an Bord gebündelt, stilistisch gekonnt verdichtet und in einzelne Kapitel gepackt, die sich flott und nicht nur für Fahrtensegler mit Genuss lesen lassen. (Diese kommen speziell auf ihre Kosten, wenn es um ein paar unbezahlbare Profi-Tipps zum Gezeiten-Segeln geht!)
Ganz klasse ist, dass ich als Leserin mit aufs Schiff kommen und reinschnuppern darf in ein Leben ohne festen Boden unter den Füßen. Zu sehen, welche Facetten die Unabhängigkeit mit sich bringt, überall an Bord zu Hause sein zu können. Mitzuerleben, dass die Euphorie der Freiheit dicht neben einer unerträglichen Einsamkeit wohnen kann, dass bei aller Leichtigkeit des Seins es unterwegs auch knallharte Momente des Abschieds und des Zweifels am Sinn des Weitersegelns gibt. Nicht den Alltag, aber das ganz Menschliche am schillernden Bordleben bringt Detlef Jens auf knapp 200 Seiten genauso beeindruckend herüber wie seine unerhörten Begegnungen in den Hafenkneipen Europas. Schließlich macht sein Buch mir auch deshalb großes Vergnügen, weil es einen ordentlichen Schuss an britisch geprägter Selbstironie abgekriegt hat – ein sehr gewinnender Zug, den ich als Hobbyseglerin von anderen norddeutschen Skippern und ihren Reisegeschichten bisher so nicht kenne.
Warum ich Land‘s End empfehle:
Mehrere große Atlantik-Segeltouren verknüpft Detlef Jens in Land’s End zu einer Kette von spannenden Passagen, gespickt mit Geschichten von See und originellen Anekdoten aus europäischen Häfen. Wer wissen möchte, wie es sich an Bord wohnt oder wer selbst eine Auszeit unter Segeln vorhat, bekommt mit Land’s End eine authentische und ja, auch eine romantische Idee davon, wie Leben auf dem Wasser gehen kann.
Karin Banduhn
6 Antworten
Erinnert mich sehr an Björn Larssons Kap Zorn, ist aber doch ganz anders. Hebt sich durch gekonntes Schreiben, Authentizität und den unaufgetegten Stil angenehm davon ab, was einem meist in Segel-Büchern geboten wird. Ich freue mich schon mal auf die Fortsetzung.
Danke für den netten Kommentar, ich freue mich auch auf die Fortsetzung! 😉
Hab gerade beide deiner Bücher verschlungen. Mein Plan ist nämlich am Ende des Jahres auf mein Boot zu ziehen. Toll geschrieben, emotional und fachlich. Diese Mischung macht es. Schade…. schon zu Ende.
Hallo Andreas, das klingt ja gut – was für ein Boot und wo wird es liegen? Vielleicht sieht man sich ja mal, würde nich freuen!
hi, na, das mit dem sehen könnte klappen. will nach Flensburg mit meiner OE32 sy Slisand.
freu mich drauf. denke fürn Winter bei Jaich zu liegen oder hast du nen Tipp?
Zum Träumen und Vorfreuen!
Welch ein Wunder volles kleines Buch vom Segeln, vom Leben! Wer so authentisch, anrührend vom eigenen Glücklichsein schreiben kann, wie Detlef Jens im letzten Kapitel, dem glaubt man einfach alles. Chapeau!!!