Ein wahrhaft epochales Werk, seit Jahrzehnten wird es (fast) durchgehend, Jahr für Jahr, veröffentlicht: Der englische Kapitän O. M. Watts hatte einst, 1931, die brillante Idee zu einem umfassenden nautischen Almanach für die schwierigen britischen Küstengewässer. Mit aktuellen Gezeitentabellen, Leuchtfeuerverzeichnis, Informationen zu den wichtigsten Häfen und noch viel mehr. In Zeiten vor GPS und elektronischer Navigation, als man an Bord seinen Schiffsort noch per Hand, Peilungen, Koppelnavigation, Bauchgefühl und einer Mischung aus alledem bestimmte, ein wirklich unentbehrliches Buch auf jedem Schiff und jeder Yacht in diesen Gewässern. Herausgebracht wurde der neue Almanach von dem Verlag Thomas Reed & Co., den es übrigens schon seit 1782 gab und der damit als der wohl älteste nautische Fachverlag gelten dürfte.
Seither hat sich viel verändert, nur dieses nicht: Nur wenige englische Segler würden ohne ihren geliebten Reed’s in See stechen. Mittlerweile wird in diesem Buch fast ganz Nordwesteuropa abgehandelt, von Skagen bis Gibraltar, einschließlich natürlich Großbritannien, Irland und Kanalinseln sowie Nordmarokko und der Azoren. Das gedruckte Buch, schwer wie das Telefonbuch einer mittleren Metropole (und in unseren digitalen Zeiten ebenso anachronistisch), beinhaltet nicht weniger als 700 aktuelle Hafenpläne und Hafeninfos, Gezeitentabellen und Strömungskarten, 7500 Wegpunkte, und viele weitere Informationen über Beflaggung, Wetter, Distanzen, Törnplanung, Notsituationen auf See, sowie über Zoll- und Einklarierungsformalitäten. Mehr als dies muss man nicht wissen! Und auf Rennyachten in Luv gestaut dient das Buch auch noch ganz effektiv als Ballast.
Und um all dies noch zu toppen, ist der Ausgabe 2013 auch noch ein kostenloses Exemplar des digitalen Reeds Marina Guide beigefügt, mit Wetterinformationen, Routeplaner und noch mehr. Fazit: Natürlich kann man auch ohne Reeds segeln. Aber wer sich irgendwo, zwischen Dänemark und Afrika, auf der Nordsee oder im Nordatlantik oder im Englischen Kanal oder in der Biskaya herumtreibt, tut sehr gut daran, es an Bord zu haben. Und wenn auch nur, um während langweiliger Flautennächte darin zu blättern und zu schmökern. Was man übrigens auch sehr schön, in Vorfreude auf den hoffentlich bevorstehenden Sommer, auch zuhause machen kann. Ein literarisches Werk ist der Reeds sicher nicht, aber ein nie versiegender Quell interessanter und, manchmal, auch skurriler nautischer Informationen. Und eine echte Inspiration. Allerdings durchgehend in englischer Sprache.
Daher unsere Empfehlung, rechtzeitig zu Saisonbeginn, auch auf Englisch: Don’t go to sea without it!