Die Algarve ist das beste europäische Revier zum winterlichen Segeln bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein. Nur rund zwei Flugstunden von Deutschland entfernt, findet man hier eine erstaunliche Vielfalt entlang der Küste – moderne Marinas ebenso, wie verlassene Lagunen.
An seinem südwestlichsten Zipfel endet Europa abrupt. Das Land stürzt sich ins Meer, tiefe, steile Felsen hinab, an denen sich schäumend die Seen des Atlantiks brechen und bizarre Höhlen aus dem Gestein spülen. Das Cabo de São Vincente ist eine beeindruckende Landmarke und für Segler, die aus dem Norden oder Westen angesegelt kommen, die Tür zur Algarve. Östlich des Kaps mit seinem wuchtigen Leuchtturm ändern sich Küste, Klima und Winde: Der Atlantik liegt nun achteraus im Kielwasser, hier empfängt einen das milde, schon fast mediterrane Wetter, wie es für die Algarve typisch ist.
Anders als das launische, im Winter unberechenbare Mittelmeer eignet sich die Küste der Algarve hervorragend zum winterlichen Chartertörn, und auch viele Langfahrtsegler überwintern auf ihren Schiffen in den Yachthäfen von Lagos oder Portimão. Selbst im Januar wird es fast nie kälter als zehn Grad, die Sonne scheint häufig und der Wind ist eher schwach und variabel – Stürme sind hier, auch im Winter, mehr die Ausnahme denn die Regel.
Während die Algarve im Sommer nicht nur heiß, sondern vor allem auch voll und laut ist, bezaubern die Häfen, Buchten und Ortschaften im Winter durch ihren verschlafenen Charme, der an längst vergangene Zeiten erinnert. Zum Beispiel Lagos, ein im Sommer überlaufenes Touristenziel mit einer modernen Marina. Der Ort liegt auf der anderen Seite des Flusses und ist, vom Yachthafen aus, über eine Fußgängerbrücke erreichbar. Abends ließen wir uns hier gerne durch die malerischen, katzenkopfgepflasterten Straßen der Altstadt treiben und wanderten von Bar zu Bar. Tagsüber begeisterte dagegen die eigenartige Felsenküste direkt westlich der Hafeneinfahrt, mit bizarren Klippen, wasserumspülten Höhlen und verstecken, romantischen Sandstränden.
Nur zweieinhalb Seemeilen östlich von Lagos liegt die Lagune von Alvor. Zwischen zwei befeuerten Molen geht es in die sehr flache Lagune hinein, aber ein tiefes, gewundenes Fahrwasser führt zum Ort, vor dem man ankern kann – dieses Fahrwasser ist jedoch nicht markiert und es empfiehlt sich ein Einlaufen bei Niedrigwasser, damit man bei einer eventuellen Grundberührung mit der Flut frei kommt. Alvor ist ein ehemaliges Fischernest das, wie so viele Orte in der Algarve, die Wandlung zum sommers brodelnden Ferienort voller Bars und Diskotheken in beeindruckend kurzer Zeit geschafft hat, aber auch hier ist es im Winter eher ruhig. Und die Lagune ist hübsch und bietet eine gute Abwechslung vom nächtlichen Liegen in einer Marina.
Die modernste davon befindet sich in der Einfahrt zum dem kleinen Fluss, der nach Portimão hinein führt. Dieser Yachthafen wurde erst vor wenigen Jahren gebaut und ist irgendwie immer noch nicht ganz fertig, bietet aber schon viele Einrichtungen. Wer jedoch dichter an der reizvollen Altstadt von Portimão liegen möchte, kann, mit etwas Glück, direkt unterhalb der Straßenbrücke an einem alten Schwimmponton festmachen, wenn dieser nicht gerade von einheimischen Fischerbooten voll belegt ist.
Weiter östlich liegen die noch ursprünglicheren Orte, die selbst im Sommer weniger besucht werden. Beispielsweise Tavira, ein verschlafenes Fischernest an der Lagune des Rio Formosa. Dort kann man ankern, der Ort liegt dann noch ein kleines Stück weiter flussauf. Eine niedrige Straßenbrücke versperrt zwar jeder Segelyacht den Weg dorthin, aber vom Ankerplatz ist Tavira noch einigermaßen gut zu Fuß zu erreichen. Vom Fluss fein säuberlich in zwei Hälften geteilt, wird der Ort durch eine restaurierte römische Brücke miteinander verbunden. Entlang der Ufer spielt sich das Leben hier ab: Frauen und Männer hocken auf klapprigen Stühlen bis spät in die Nacht am Fluss oder in den verräucherten Bars, trinken und diskutieren über die wichtigen Dinge in diesem entlegenen Teil der Welt.
Im Osten wird die Algarve durch den Rio Guadiana begrenzt, dem Grenzfluss nach Spanien. Am linken Ufer liegt Vila Real mit einem kleinen Fischerei- und Yachthafen, aber der Fluss ist noch sehr viel weiter schiffbar: bis zu 15 Seemeilen tief in das hügelige Land hinein. Hier gibt es kleine, malerische Dörfer und gute Ankermöglichkeiten sowie einige Anlegepontons im ruhigen Fluss inmitten der grünen Berghänge. Die Brücke, die bei Vila Real den Fluss überspannt, hat eine Durchfahrtshöhe von rund 20 Metern: Ausreichend für die meisten Yachten.
Dann segelten wir an einem frühlingshaften Wintertag mit strahlendem Sonnenschein und einer leichten Brise in die weite, leere Lagune von Faro hinein. Wir ankerten an einer tiefen Stelle, noch weit von der Stadt entfernt, und beobachteten die vielen Störche, die ebenfalls hier überwintern. In einer kitschigen Abenddämmerung paddelten wir im Beiboot zu dem winzigen, grasbewachsenen Sandhügel von einer Insel hinüber, die nur gut hundert Meter neben der Bordwand aus dem stillen Wasser ragte, tranken hervorragenden portugiesischen Wein, betrachteten die fernen Häuser von Faro und fühlten uns wunderbar. Und beschlossen, im nächsten Winter wieder entlang dieser erstaunlich vielfältigen Küste zu segeln.