Die Autorin ist im hohen Norden heimisch, hat auf Spitzbergen, in Lappland und Island gelebt. Und sie forscht an der Universität von Lappland zu den kulturellen und sozialen Folgen des fortschreitenden Klimawandels in den Gesellschaften der indigenen Bevölkerung arktischer Gebiete. Sie kennt, lebt und beherrscht ihr Thema perfekt, bis in kleinste Details und tiefste Emotionen hinein. Mit diesem Wissen hat sie den Roman „Wo das Eis niemals schmilzt“ geschrieben, der mich von den ersten Seiten weg gepackt und tief berührt hat.
Es geht um Entwurzelung, Sehnsucht nach Heimat, Identität und Selbstbestimmung. Um ein tief dunkles Kapitel in der Geschichte des heute ach so nett wirkenden Kanadas, ein kultureller Völkermord an den arktischen Völkern, der um 1880 begann und bis in die 1970er Jahre hinein reichte. Kaum weniger zimperlich sprangen auch die skandinavischen Länder mit den Samen in Lappland um. Die furchtbaren Folgen für die Menschen sind hier ebenso spannend wie einfühlsam beschrieben, in den Lebenswegen von Unni und Jon, Helen und Alasie, deren tragische Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind. Also Bonus dazu gibt es immer wieder großartige, nicht romantisierende aber beeindruckende Beschreibungen der arktischen Landschaften sowie Einblicke in die dorthin gehörende Sagen-, Tier- und Pflanzenwelt.
Eine unbedingte Leseempfehlung, vor allem für alle, die den Norden lieben oder sich davon inspirieren lassen. Und das Buch lenkt die Gedanken auch auf die vielen anderen Fälle von Genozid, die überall auf der Welt passierten – und aktuell gerade passieren. Vor allem aber ist dies ein wirklich großartig geschriebener Roman, voller Mitgefühl und Menschlichkeit und sogar mit einem halbwegs versöhnlichen Ende.