Heinz Liepman: Das Vaterland

Ein Fischdampfer fährt in einer ruhigen Nacht in die Elbemündung und steuert flussauf, nach Hamburg. Die Mannschaft steht an Deck, genießt das Heimkommen, die Seeleute freuen sich auf ihre Heimat, ihre Familien oder auch, je nachdem, auf die Kneipen von Sankt Pauli und der Reeperbahn. Acht Wochen waren sie auf See, abgeschnitten von der Außenwelt. Nun kehren sie zurück und können es kaum erwarten, endlich wieder an Land zu kommen.

So weit, so idyllisch.

Es ist jedoch das Jahr 1933. Während der Dampfer auf See unterwegs war, fischte, ohne Kontakt zur Heimat oder der Außenwelt, haben zuhause die Nationalsozialisten und Hitler die Macht übernommen. Die ahnungslosen Seeleute kehren in eine radikal veränderte Welt zurück, in der sie sich nicht zurechtfinden können. Die Menschen sind verängstigt und verstört, die Rückkehrer können nicht begreifen, was hier los ist. Von der rechtsextremen Regierung eingesetzte Schlägertrupps der SA („Sturmabteilung” der Regierungspartei NSDAP) terrorisieren die Bevölkerung in aller Brutalität und Offenheit. Es wird, von Staats wegen, gemordet und gefoltert. Der Kapitän des Dampfers, ein rechtskonservativer Anhänger des vor Jahren abgesetzten Kaisers, wird Zeuge, wie ein SA-Schlägertrupp am hellen Tage auf einem Bahnsteig in Hamburg mit Knüppeln auf eine alte Frau eindrischt, bis diese zusammenbricht, und dann noch weiter. Er empört sich, wird rüde zurechtgewiesen, findet sich nicht damit ab. So etwas, glaubt er, könne doch in Deutschland nicht passieren. Der gutgläubige, naive alte Herr sucht höhere Stellen auf, um sich, wie er meint, über diese eine Ausnahme, diesen einen SA-Trupp zu beschweren. Und wird prompt selber verhaftet und gefoltert.

Dies ist die neue Realität in Deutschland im Jahre 1933, die hier so schonungslos und offen geschildert wird, wie sie sich damals im Alltag der Menschen zeigte. Und dieses Buch von Heinz Liepman (1905 bis 1966) ist ein sehr wertvolles Zeitdokument und gleichzeitig ein packender Roman. Liepman selbst musste kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten selber fliehen, weil er als kritischer Journalist und Schriftsteller längst auf der schwarzen Liste der Regierenden stand. Er gelangte über Frankreich und England in die USA und kehrte 1947 nach Hamburg zurück.

Das Buch „Das Vaterland“ erschien als einer der ersten deutschen Exilromane bereits im Jahr 1933 in Paris und wurde nun vom Pendragon Verlag neu aufgelegt. Es endet mit einem ebenso einfachen wie kraftvollen letzten Absatz:

„Zwei Tage später, ärztlich verbunden und gekleidet, fuhr Martin im Kohlenbunker eines amerikanischen Frachtdampfers nach Antwerpen. Als das Schiff Elbe 1 passiert hatte und der Lotse von Bord war, kam Martin an Deck.

Am Horizont verschwand sein Vaterland.“

Dem Buch voran gestellt ist ein eindringliches Vorwort von Hans Liepman, am Ende folgt ein ausführliches und sehr lesenswertes Nachwort des Literaturwissenschaftlers Wilfried Weinke über das Leben und Werk von Heinz Liepman.

Das Buch gleich hier in unserem Buchladen bestellen und sich nach Hause liefern lassen.

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