Tilo Eckardt: Gefährliche Betrachtungen – Der Fall Thomas Mann

Nicht nur für Kenner von Thomas Mann und seinem Werk ist dies eine wirklich lohnende Lektüre. Eine sehr gelungene Mischung aus Fakt und Fiktion, beschreibt es das Leben im Sommer 1930 auf der Kurischen Nehrung im damaligen und heute wieder Litauen. Hat diese schmale, lange Landzunge (52 Kilometer) zwischen Haff und Ostsee doch eine sehr bewegte Historie: Seit Ende des Ersten Weltkriegs litauisch, von 1939 bis 1945 von Deutschland annektiert, dann bis 1989 Teil der UdSSR und seit 1989 gehört es wieder zum dann auch erst wieder unabhängigen Litauen.

Das zum historischen Hintergrund, denn die Weltgeschichte spielt hier schon eine Rolle. Was ganz elegant und doch nur am Rande herüberkommt, da das Buch aus der Perspektive eines 100 Jahre alten Mannes geschrieben ist, der sich an seine Zeit im Sommer 1930 in Nida erinnert. Dies ist der litauische Übersetzer Žydrūnas Miuleris, der Thomas Mann abgöttisch bewundert und fast alles tut, um an den Literatur-Nobelpreisträger heranzukommen, da er dessen Werk in das Litauische übertragen möchte. Dabei entspinnt sich die Handlung, die dazu führt, dass Žydrūnas und Thomas Mann gemeinsam nach einem politisch brisanten Manuskript des Autors forschen, welches Žydrūnas zuvor verloren hat. Denn dies darf nicht in die Hände der gerade erstarkenden Nazis fallen, die auch hier schon präsent sind. Es entwickelt sich eine dramatisch-komische Geschichte, auch dank der etwas sperrigen Persönlichkeit Thomas Manns, auch dank der romantischen Gefühle von Žydrūnas gegenüber einem Mädchen aus dem Ort. Bei alledem wird auch die Atmosphäre an diesem besonderen Ort, der damals ja auch als Künstlerkolonie bekannt war, zu dieser besonderen Zeit lebendig.

Alles in allem gute, weil auch witzige Unterhaltung mit historischem Bezug. Leider drängen sich beim Lesen bedrückende Parallelen aus den 1930er Jahren und dem aufkommenden Nationalsozialismus zu aktuellen politischen Ereignissen geradezu auf. Das wird auch in einem lesenswerten Nachwort des Autors noch einmal verdeutlicht. Aber davon abgesehen: Eine echte Leseempfehlung!

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