Germana Fabiano: Mattanza

Die „Mattanza“ ist ein Abschlachten der Thunfische, eine uralte, rituelle Art des Thunfischfangs, blutig und archaisch. Es ist aber auch ein großes, gemeinschaftliches Ereignis und zudem eines, von dem jahrhundertelang das Leben der ganzen Inselgesellschaft abhängig war. Also etwas, was ganz wesentlich zu dieser Insel gehört, die hier im Buch Katria heißt. Die Mattanza gab es schon lange, viele Jahrhunderte lang. Doch nun stehen alle Zeichen auf Veränderung. Angeführt wird die Mattanza, und eigentlich das ganze Inselleben, vom Raìs. Doch nachdem der Enkel und letzte legitime Erbe des Raìs gegen alle Erwartungen als Mädchen geboren wird, muss Nora beweisen, dass sie auch als Frau die Traditionen ihrer Gemeinde wahren und ihrem Großvater nachfolgen kann. Während sich die Welt um Katria immer schneller dreht, erreichen die ersten Wellen des Tourismus die Insel und schließlich auch der Strom an Menschen, für die dieses Stück Land das erste Stückchen Europa bedeutet. Der Wandel scheint unaufhaltsam und stellt Nora vor die Frage, wie weit sie zu gehen bereit ist, um ihre Traditionen zu schützen.

Aber der Lauf der Welt lässt sich nicht aufhalten, mit allen Mitteln nicht. So wird dieses wirklich großartige Buch zu einem Denkmal für eine andere, verloren gegangene Welt. Die Insel gibt es tatsächlich, es dürfte vermutlich Favignana sein, etwas westlich von Sizilien vor Trapani gelegen. Es gibt sie dort noch, die alte Thunfischfabrik, nur ist sie heute ein Industriemuseum. Und die Besitzerfamilie gehörte damals tatsächlich, wie im Buch beschrieben, zum „Jet Set” und verkehrte mit den Adeligen in ganz Europa.

Doch als der Thunfisch ausblieb, weil das Mittelmeer von den modernen Trawlern leer gefischt wurde, war es auch das Ende dieser Insel. Jedenfalls das Ende des Lebens dort, wie die Einwohner es über unzählige Generationen hinweg kannten und lebten.

Die Handlung reicht von 1960 bis 2012. Die Spanne eines Lebens, in dem wir eintauchen in den Mikrokosmos einer solchen Insel, die man als Besucher:in ja niemals so kennenlernt, mit den Traditionen und der ganz eigenen Kultur und, vor allem, den vielen Dingen, die sich im Verborgenen abspielen. Das ist wunderbar und sehr eindringlich beschrieben, in einem leichten Stil, in dem doch viele entscheidende Dinge wie nebenbei und auch mit Witz erzählt werden.

Ein wirklich tolles Buch, melancholisch und traurig und, vielleicht, weise. Denn natürlich könnte diese kleine Insel auch eine Metapher sein für die Welt an sich … Eine unbedingte Leseempfehlung!

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