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Florian Knöppler: Südfall

Südfall

Südfall. Der Funker an Bord eines englischen Bombers im Zweiten Weltkrieg überlebt als einziger seiner Crew den Abschuss und Absturz seines Flugzeugs über dem Nordfriesischen Wattenmeer, 1944, nach einem der verheerenden Bombenangriffe auf Hamburg. Immerhin kennt er sich aus im Watt, er kommt von der englischen Ostküste und weiss, dass er nicht einfach nachts und bei Nebel drauflos laufen kann, zumal das Wasser irgendwann mit der Flut zurück kommt. Um zu überleben, macht er sich bemerkbar und wird dann auch gefunden: von einer alten Dame mit zwei großen Hunden, die alleine mit wenig Personal auf einer entlegenen Hallig wohnt – Südfall. Und obwohl er dort aufgenommen wird und sicher sein könnte bis zum Kriegsende, zieht es ihn fort, zurück, er will und kann nicht untätig herumsitzen und warten, denn er hat mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen.

Hier ist dann schon die erste Weggabelung. Schade, möchte man fast denken, als Lesender hätte ich gerne mehr über diese mysteriöse Alte erfahren, die ganz offensichtlich selber als Hauptfigur eines spannenden Romanes taugen würde. Tatsächlich gibt es ja die historische Figur dazu, die als „Halliggräfin“ in die Geschichte Nordfrieslands eingegangene Diana Gräfin von Reventlow-Criminil (1863 -1953). Die eigenwillige Gräfin aus einer alten holsteinischen Adelsfamilie zog sich mit 47 Jahren auf die Hallig Südfall zurück, wo sie zunächst nur die Sommer verbrachte, später in ihrem Leben dann ganz dort wohnte. Für die Nazis hegte sie keinerlei Sympathien, im Gegenteil. Sie bot dem Maler Gustav Mennicke bereits 1933 einen entlegenen und damit offenbar sicheren Ort zum Leben und Arbeiten, als sich die Diktatur der Nazis auch in kulturellen Dingen bereits klar abzeichnete. Und tatsächlich rettete sie gegen Ende des Krieges einen englischen Piloten, indem sie auch ihm Asyl auf Südfall gewährte. Der soll im Schlick eine Flöte (aus dem versunkenen Rungholt stammend) gefunden haben, darauf gespielt und von der Gräfin „erhört“ worden sein. Diese Geschichte wurde von Alfred Andersch in seiner Erzählung „Diana mit Flötenspieler“ verarbeitet. Und natürlich wurde sie, ohne die (vermutlich erfundene Flöte) von Florian Knöppler als Ausgangsereignis seines hier vorgestellten Romans verwendet.

Aber Dave, so heißt der englische Pilot in diesem Roman, verlässt die sichere Hallig Südfall und macht sich auf den Weg, an der Küste und den Deichen entlang nach Norden, nach Dänemark, wo er hofft, ein Boot nach England finden zu können.

Unterwegs trifft er auf verschiedene Menschen, die ihm helfen – oder auch nicht. Leben, Schicksale, die teils ineinander greifen – jede Figur ist ein Meilenstein auf seinem gefährlichen Weg. Und natürlich hat jede Figur ihre eigenen inneren und äußeren Kämpfe auszutragen. Aber es ist nun einmal die Geschichte von Dave, und so bleiben sie alle das, was sie für ihn sind – vorübergehende Episoden, jede für ihn und seine Flucht entscheidend, aber eben auch flüchtig.

Das alles wird mit einfachen Worten nüchtern erzählt, so karg wie die Landschaft an dieser leeren Küste. Dennoch berührt es einen, vielleicht gerade, weil die Einzelschicksale auf Daves Weg eben nur in Momentaufnahmen, dafür aber eindringlich geschildert werden. Was wohl aus ihnen allen geworden sein mag, können wir nur ahnen oder es in unserer eigenen Fantasie weiter spinnen. Dave hingegen, das darf ich hier wohl verraten, schafft es am Ende zurück nach England. Ob das jedoch ein wirkliches Happy End ist, bleibt offen.

Ruhig, melancholisch und auch spannend. Sehr zu empfehlen!

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